Kaum ein Tag, an dem nicht bemühte Sozialpädagogen, beanspruchte Integrationsbeauftragte oder betroffene No-Name-Politiker jeder Couleur zum interkulturellen Dialog aufrufen. Keine Frage, es handelt sich um eine neuen Trendsport, dem ersten wohlgemerkt, der nicht aus den Staaten zu uns „herüberschwappte“.

Dabei gilt gerade der Deutsche als arbeitswütig, humorlos und penibel bis auf die Spitze des Sekundenzeigers. Freizeit kennt er nicht, gönnt er sich auch nicht, und wenn doch, dann fällt sie aus wie deutscher Fußball: Präzise konstruiert wie ein Motor von Audi und schwunglos wie das Halbfinale eines georgischen Schachturniers.Wie kommt es, dass der Dialog der Kulturen so populär ist in Deutschland? Aber halt. Nicht nur wir sind dem neuen Trend verfallen. Schauen wir zu unsern Nachbarn, so entdecken wir, dass der Interkulturelle Dialog ebenso von leidenschaftlichen Italienern, mondänen Franzosen und gediegenen Österreichern betrieben wird.

So wenig Kenntnis vom Islam wie möglich

Liegt es an der Einfachheit dieses neuen Hobbys? Den Dialog der Kulturen kann man überall führen, in Lesesälen, Schulen oder im Rathaus. Ein Moderator begrüßt die Zuhörer, ein Vortragender (meist muslimischen Glaubens) deckt die Lügen anti-islamischer Hetze in deutschen Medien auf, beweist anhand alltäglicher Beispiele, dass Islam Frieden heißt, und die Zuhörer staunen, lernen und sind sich bewusst, eine wichtige Sache für den Frieden in der Welt geleistet zu haben.

Die Regeln sind simpel und die Vorbereitungen benötigen wenig Aufwand: Man nehme mehrere Deutsche (oder leidenschaftliche Italiener etc.), die willens sind, mit – laut eigener Aussage – „kleinen und unscheinbaren Aktionen“ wahlweise die Erde, das Klima oder nur die Menschheit zu retten. Als nächstes wird der Moderator bestimmt. Vorzüglich eignen sich bemühte Sozialpädagogen (oder beanspruchte Integrationsbeauftragte etc). Sie sollten von ähnlichen bescheidenen Zielen wie die Zuhörer getrieben werden und sich durch so wenig Kenntnis vom Islam wie möglich auszeichnen.

Theologisches von Oma

Äußerste Sorgfalt muss bei der Auswahl eines geeigneten Vortragenden an den Tag gelegt werden. Je weniger der Moderator und die Zuhörer vom Islam wissen, umso mehr kann der Referent mit jahrhundertealtem Geheimwissen glänzen, das von Generation zu Generation tradiert wurde. Da jedoch der Moderator (der ja keine Ahnung vom Islam hat) erst herausfinden muss, welcher Kandidat über das größte und geheimste Wissen über den Islam verfügt, gibt es einige Methoden zur Auswahl des geeigneten Vortragenden:

1. Welchen Namen trägt der Referent? „Nomen est omen“, sagte schon der Lateiner. Zwar war der kein Muslim, aber seine Methode sei hier in folgender Interpretation wiedergegeben: Da den Europäern Namen wie Nasib, Onur oder Ramin zu exotisch und unislamisch klingen, sei anzuraten, Muslime auszuwählen, die Namen wie Selim oder Mustafa tragen. Schon bei Karl May heißen alle echten Muslime Abdallah. Fragen Sie sich selbst, wem würden Sie eher glauben – einem Abdel Rahman oder einem Lotfi? (Tipp: Königsnamen wie Mohammed und Ahmed schlagen alle andern; Mansur dagegen erinnert an indische Elefantenführer in Abenteuerfilmen.)

2. Welche Quellen benutzt der Vortragende? Schauen wir uns den prominentesten Dialogpartner der Islam-Konferenz an, Feridun Zaimoglu. Der deutsch-türkische Dichterfürst („Kanak Sprak“) gibt zu, alles, was er über den Islam weiß, von seiner Großmutter gelernt zu haben. So sehen Experten aus! Wer würde leugnen, dass man die beste Kartoffelsuppe nicht im Restaurant, sondern immer noch bei Oma bekommt?

3. Wie sympathisch lacht der Referent? Der muffige Teutone hat sein Herz an jenen jovialen Südländer verloren, der nicht mit dem Anflug eines um seine Mundwinkel spielenden feinen ironischen Lächelns, sondern mit einem breiten, herzhaften Lachen zehn Mal hintereinander klarstellt, dass das Kopftuch nicht Zeichen einer Parallelgesellschaft darstellt, sondern der Frau ihre von der Moderne entrissene Würde zurückgibt.

4. Sollte eine Frau die Vortragende sein, so hat sie ihr Haupt züchtig mit dem Schleier zu bedecken, da eine Muslimin ohne Kopftuch so authentisch wirkt wie ein Beduine ohne Kamel.

Wichtig ist der Glaube

Auf diese Weise gewappnet, kann der kritische Dialog der Kulturen beginnen, der sich dadurch auszeichnet, dass man dem Vortragenden andächtig lauscht und Leute, die am Ende kritische Fragen stellen, mit warnendem Blick abstraft. Wichtig ist der Glaube. Der Vortragende glaubt an Gott und dessen Propheten und die Zuhörer glauben alles, was ihnen der Referent erzählt.

Dieser Punkt ist sehr wichtig und wird oftmals nicht beachtet. Wer weiß denn besser über die Situation in Palästina Bescheid? Sie oder Herr Ö., der in seiner Jugend Pferde in Ostanatolien beschlug? Wer kennt denn die Geschichte der indischen Mogule besser? Sie oder Frau al-M., die in Marokko immerhin die neunte Klasse besuchte, bevor sie mit ihrem Cousin verheiratet wurde?

(Gastbeitrag von Martin Rudiger)

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