Die italienische Parlamentsabgeordnete Daniela Santanchè (Foto), erhält Morddrohungen, wie PI als erstes deutsches Online-Medium bereits am 10. Januar berichtete. Wir nannten sie eine würdige Nachfolgerin der verstorbenen Oriana Fallaci. Ihr „Verbrechen“: Sie hat sich öffentlich für die Rechte moslemischer Frauen eingesetzt. Die Junge Freiheit veröffentlicht nun in ihrer aktuellen Ausgabe ein Interview mit der mutigen Italienerin.

Frau Santanchè, einige Medien nennen Sie bereits die „neue Oriana Fallaci“. Fühlen Sie sich tatsächlich als ihre geistige Erbin?

Santanchè: Es schmeichelt mir, mit Oriana Fallaci verglichen zu werden. Ich habe sie außerordentlich geschätzt und bedauere ihren Krebstod im letzten September sehr. Aber ich befürchte, ich bin zu unbedeutend, um mit ihr auf eine Stufe gestellt zu werden.

Vier Wochen nach Fallacis Tod im September 2006 kam es während eines Streitgesprächs im Fernsehen zwischen Ihnen und einem italienischen Imam zum Eklat (siehe Beitrag Seite 8). Der islamische Geistliche soll angeblich eine Fatwa gegen Sie ausgesprochen haben.

Santanchè: Er hat dies später in Presseinterviews bestritten. Fakt ist allerdings, daß ich nach seinen Ausfällen einen Drohbrief aus London bekommen habe. Ich habe das Schreiben den Sicherheitsbehörden übergeben, die mich daraufhin unter Polizeischutz gestellt haben. Dem Brief beigefügt waren Bilder des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh, der bekanntlich 2004 für seinen islamkritischen Film „Submission“ ermordet wurde.

Sie leben also in Todesangst?

Santanchè
: Van Gogh und seine Drehbuchautorin Ayaan Hirsi Ali wurden immerhin zu Feinden des Islam erklärt. Sie können sich also vorstellen, daß die Lage, in der ich mich befinde, für mich sehr schwierig ist. Und Sie können mir glauben, ich wäre lieber nicht in dieser Situation.

Sie tragen allerdings auch nicht zur Entspannung der Situation bei. Zuletzt haben Sie zu einer Kampagne gegen das Tragen des islamischen Schleiers in Italien aufgerufen.

Santanchè: Sie formulieren das wie jene, die es vorziehen, vor dem Islam stets zurückzuweichen. Ich habe mein tägliches Leben trotz der Bedrohung und der Leibwächter nicht verändert, denn diese Genugtuung will ich den Fundamentalisten, die unsere Freiheit und unsere Art zu leben einschränken wollen, nicht gönnen.

„Hinter dem Kopftuch steckt eine totalitäre Ideologie“

Sie haben das Kopftuch mit dem Judenstern verglichen. Halten Sie das wirklich für einen treffenden Vergleich?

Santanchè: Hinter dem Kopftuch steckt eine totalitäre Ideologie, die die Frauen unterdrückt und keinerlei Respekt für das Prinzip der Meinungsfreiheit hat. Und ich werde von meinem Kampf für die Menschenrechte nicht lassen. Denn trotz allem fühle ich mich nicht alleine, ich erhalte täglich Solidaritätsbekundungen per E-Post und Brief von allen möglichen Menschen aus ganz Europa.

Begonnen hat der Streit mit der Veröffentlichung Ihres Buches „La donna negata“ („Die verleugnete Frau“), das 2006 in Italien erschienen ist.

Santanchè: Und das von der Gewalt berichtet, die islamische Frauen in meinem Land – also nicht in Saudi-Arabien oder dem Iran, nein: in Italien! – erfahren müssen. Es erzählt davon, wie ihnen, die sie mitten unter uns leben, die grundlegenden Menschenrechte vorenthalten werden. Ich habe diese Frauen aufgesucht, mit ihnen gesprochen, mir ihr Leben und ihr Leid schildern lassen, die Unbill, die sie täglich erfahren, ihren ganz normalen Alltag. Wir, die wir in ganz anderen Verhältnissen leben, dürfen nie vergessen, daß ihre Freiheit auch unsere Freiheit ist!

Auch wenn zweifelhaft ist, ob es sich tatsächlich um eine Fatwa handelt; die Drohung gegen Sie fügt sich ein in eine Reihe zahlreicher solcher Fälle bei uns in Europa. Es scheint allerdings, daß sich Politik und Öffentlichkeit daran gewöhnt haben.

Santanchè: Ja, und ich kritisiere und bekämpfe das, aber unglücklicherweise herrscht bei uns bei diesem Thema eine Art beredten Schweigens.

Wen machen Sie dafür verantwortlich?

Santanchè: Ich mache jedermann für diese Situation verantwortlich! Ob Medien, Politik oder Öffentlichkeit, wir alle wollen doch nicht erkennen, daß dies das Hauptproblem unserer Zukunft ist! Daß dies die größte Bedrohung der Freiheit kommender Generationen von Europäern ist!

Gibt es nicht ein spezielles Versagen der Politik, deren Existenzgrund schließlich die politische Sicherung unserer Gegenwart und Zukunft ist?

Santanchè: Es stimmt, wir packen das Problem in Europa nicht an. Es fehlt uns an Mut und an Entschlossenheit.

Nach wie vor gelten Einwanderung und Multikulturalismus mehr oder weniger als Rahmen­ideen unserer Politik in Europa.

Santanchè: Ich lehne die Idee des Multikulturalismus ab. Die Realität zeigt uns, was für katastrophale Ergebnisse der Multikulturalismus in einigen europäischen Ländern gezeitigt hat. Nehmen Sie das Beispiel Frankreichs, wo der Multikulturalismus und die „totale Toleranz“ zur Ghettoisierung statt zur Integration der Einwanderer und ihrer Kulturen geführt hat. Das war doch die Ursache für die extreme Gewalt, die das Land im Herbst 2005 erschüttert hat. Was die Einwanderung angeht, so muß ich Ihnen sagen, das Phänomen der Einwanderung wird nicht verebben, dieser Prozeß wird auch in Zukunft andauern. Die Einwanderung wird oft mit dem Argument der Solidarität begründet. Meiner Meinung nach bedeutet Solidarität aber nicht, den Einwanderern einfach zu erlauben, in unser Land zu kommen. Solidarität ist für mich, ihnen hier ein Leben in Würde zu garantieren.

Und damit meinen Sie zum Beispiel, islamischen Familien zu verbieten, Ihren minderjährigen Töchtern ein Kopftuch aufzusetzen.

Santanchè: Ich will sicherstellen, daß keine Frau gezwungen ist, islamische Kleidung zu tragen. Frauen müssen die Freiheit haben, selbst zu bestimmen, was sie tun und lassen. Insbesondere minderjährige Mädchen sind nicht in der Lage, eine richtige Entscheidung zu treffen.

„Der Krieg, der uns schleichend erklärt wird“

Ersetzen Sie nicht einfach die Herrschaft der Familie durch die Herrschaft des Staates?

Santanchè: Die Wahrheit ist, die moslemischen Frauen werden hinter dem Schleier versteckt. Man muß sie vom Kopftuch befreien – und wir müssen an ihrer Seite stehen.

Befürchten Sie nicht, mit dieser Konfrontationsstrategie angesichts der Realitäten der Einwanderungsgesellschaft so etwas wie einen „Bürgerkrieg“ zu provozieren?

Santanchè: Nein, was ich fürchte, ist der Krieg gegen die Freiheit, der uns schleichend erklärt wird.

Oriana Fallaci verhehlte nicht ihre offene Feindschaft zum Islam. Sie betrachtete nicht den islamischen Fundamentalismus, sondern den Islam an sich als das Problem und belegte in ihrem 2001 veröffentlichten Essay „Die Wut und der Stolz“ Moslems mit Schimpfworten wie „Kamelficker“.

Santanchè: Ich würde nicht so weit gehen und mich als „anti-islamisch“ bezeichnen. Nein, ich stehe auf der Seite des moderaten Islam, also all jener, die für einen Wandel hin zu einer verträglichen Interpretation dieser Religion eintreten. Ich halte das fundamentalistische Verständnis des Islam für die Wurzel des Übels.

„Ein islamischer Voltaire ist nirgendwo in Sicht“

Dann sehen Sie zwischen dem Abendland und dem Islam keinen grundlegenden Unterschied?

Santanchè: Doch, die westliche Welt unterscheidet sich von der islamischen fundamental. Unsere westliche Kultur ist permissiv und modern, denn sie betont die Menschenrechte. Was der Islam braucht, ist ein islamischer Voltaire, der in der theologischen und kulturellen Geschichte des Islam für eine Trennung von Religion und Politik sorgt. Unglücklicherweise ist nirgendwo eine entsprechende Figur in Sicht, und demzufolge gibt es keine Anzeichen für eine solche Entwicklung.

Und was, wenn es sich beim Islam um eine grundlegend andere Kultur handelt, die auch mit einem Voltaire nicht einfach mit der unseren gleichzuschalten ist? Hat der Islam denn in Ihren Augen keinen Wert an sich und Grund, vielleicht auch den Westen zu kritisieren?

Santanchè: Mit Recht könnte der Islam zum Beispiel unseren Kulturrelativismus anprangern.

Sie gehören der Alleanza Nazionale an, die zuletzt unter Silvio Berlusconi an der Regierung beteiligt war. Hätten Sie nicht die Möglichkeit gehabt, in dieser Zeit grundlegende Maßnahmen hinsichtlich der Probleme zu ergreifen, die Sie heute so sehr beklagen?

Santanchè: Während ihrer Regierungsbeteiligung hat die Alleanza Nazionale mit zur Verabschiedung des besten Gesetzes zum Thema Einwanderung beigetragen, nämlich das „Bossi-Fini-Gesetz“ zur Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Ich halte es für richtig, Einwanderern ein Zeichen des Willkommens und der Solidarität zu geben, wenn sie kommen, um zu arbeiten und ihren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber ich halte es ebenso für absolut notwendig, strikt und unnachgiebig gegenüber Menschen zu sein, die glauben, nach Italien kommen zu können und hier weder die Gesetze noch unsere Traditionen respektieren zu müssen.

Traditionell galt die Alleanza Nazionale als Anti-Einwanderungspartei. Manche Kritiker werfen Parteichef Gianfranco Fini Verrat an den Prinzipien der Partei vor.

Santanchè: Nein, solche Stimmen sind nicht ernstzunehmen. Ich bin der Alleanza Nazionale 1999 beigetreten, weil ich an die Werte glaube, die die Partei vertritt. Fini hat viel verändert, das stimmt, und vielleicht brauchen wir heute eine Wiederbesinnung auf diese Werte.

Was meinen Sie?

Santanchè: Für meinen Geschmack ist die Alleanza Nazionale inzwischen zu politisch korrekt. Ich würde mir von der Partei eine klarere Linie wünschen.

Nämlich?

Santanchè: Ich habe in meinem Buch Vorschläge gemacht, wie eine verbesserte soziale Integration bewerkstelligt werden kann. Wir müssen auf die Herausforderung der Einwanderung klarer reagieren, etwa indem wir die Rechte der Frauen stärken.

Welche Rolle spielt das Christentum für Sie, wenn Sie von Europa sprechen?

Santanchè: Das möchte ich klarstellen: Ich spreche niemals von Religion, ich spreche von Kultur. Kultur ist Menschenwerk, deshalb ist es auch statthaft, sie zu kritisieren mit dem Ziel, sie weiterzuentwickeln.

In der norditalienischen Kleinstadt Arcene zwischen Mailand und Bergamo wurden 2006 sämtliche religiösen Symbole verboten. Inklusive der christlichen Kreuze auf dem Friedhof!

Santanchè: Ich wiederhole: Ich meine nicht die Religion! Wenn ich mich etwa gegen das islamische Kopftuch ausspreche, dann verstehen Sie bitte, daß ich nicht glaube, daß es sich dabei um ein religiöses Symbol handelt. Was unsere christlichen Symole angeht: Ich halte es für einen großen Fehler, sie zu verbieten. Im Gegenteil, wir sollten sie verteidigen!

Daniela Garnero Santanchè lebt seit einer eskalierten Auseinandersetzung mit einem Imam im italienischen Fernsehen in Angst vor islamistischen Todesdrohungen und steht unter Polizeischutz. Die Parlamentsabgeordnete der rechtsnationalen Alleanza Nazionale gilt als eine der engagiertesten Kritikerinnen multikulturell unreflektierten Imports islamischer Kultur nach Europa. Insbesondere die Rolle der Frau im Islam hat Santanchè zu ihrem Thema erkoren. 2006 sorgte ihr Buch „La donna negata“ (Marsilio-Verlag) – zu deutsch: „Die verleugnete Frau“ – in Italien für Aufsehen, ebenso wie ihre jüngste Initiative zum Verbot des Schleiers auf der Halbinsel. Geboren wurde die studierte Politologin und Unternehmerin 1961 im norditalienischen Piemont.

» Fakten & Fiktionen: Daniela Santanchè in "Junge Freiheit"

(Spürnase: Florian G.)

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