Familien- und Sozialpolitik betreffen den Bund, die Länder und die Kommunen. Der Erfolg der Parteien bei den Landtagswahlen wirkt sich über den Bundesrat auch auf die Bundespolitik aus.
Wegen des in Deutschland seit ca. 50 Jahren bestehenden Geburtendefizits belastet heute der Mangel an jungen Arbeitskräften die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und die Funktion unseres Rentensystems. Das ist die direkte Folge einer jahrzehntelangen Politik gegen die Familien. Eltern müssen nach wie vor die Hauptlast der Investition in Kinder tragen, obwohl sie im Alter „im Umlageverfahren“ von den Kindern meist weniger Rente erhalten als Rentner ohne Kinder. Ursache ist, dass der Rentenanspruch sachwidrig fast ausschließlich an Erwerbsarbeit gebunden wird, obwohl die Renten ausschließlich von den Kindern der Rentnergeneration bezahlt werden müssen.
Aktuell ist eine Korrektur dieser familienfeindlichen Politik eine zentrale politische Aufgabe. Das ist für Deutschland besonders wichtig, weil hier das Geburtendefizit ausgeprägter ist als in den meisten anderen Ländern Europas.
Der Verband Familienarbeit e.V. hat dazu den für die Landtagswahl in Sachsen am 1. September relevanten Parteien drei Fragen geschickt, deren Antworten nachfolgend veröffentlicht werden. Die Grünen, die FDP, die Freien Wähler, die Werteunion und das BSW wurden ebenfalls um Antworten gebeten. Stellungnahmen gingen aber bis zum 18.6. nicht ein.
1. Wie will Ihre Partei in Zukunft über den Bundesrat das zu Lasten der Familien bestehende Ungleichgewicht im „Generationenvertrag“ korrigieren?
CDU: Die nachhaltige Absicherung der sozialen Sicherungssysteme – insbesondere der Rentenversicherung – stellt eine größer werdende Herausforderung für Staat und Gesellschaft dar, auf die es entsprechend zu reagieren gilt. Rentenrecht ist primär Bundesrecht; wir sehen gleichwohl die Notwendigkeit, Veränderungen vorzunehmen und den Generationenvertrag zu vervollständigen. Dazu gehört auch die Klärung der Frage, inwieweit Familien eine stärkere Berücksichtigung erfahren können.
AfD: Die AfD tritt vor allem dafür ein, junge Familien zu ermutigen, wieder mehr Kinder zu bekommen. Wir wollen vor allem Familien mit unterdurchschnittlichem Einkommen finanziell entlasten und Mut zu Kindern machen.
Dazu gehören auch konkrete Fördermaßnahmen, wie Ehestart-Kredite mit Teilerlass für jedes Kind, Wohneigentumsförderung für Familien, BAFöG-Rückzahlungserlass für junge Familien, leichterer Zugang zu Leistungen für Bildung und Teilhabe, Erstattung von Fahrtkosten und Zuzahlungen beim Arzt oder der Zweitwohnungssteuer für Jugendliche in Ausbildung.
Familien, in denen Kinder erzogen werden, leisten einen ebenso wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme wie aktive Beitragszahler. Daher will die AfD durch einen umfassenden Leistungsausgleich eine Steuer- und Beitragsgerechtigkeit für Familien herstellen.
Dazu gehört ein Familiensplitting, das über angemessene Freibeträge pro Familienmitglied zu einer spürbaren Entlastung von Familien führen soll. Kinder dürfen nicht länger ein Armutsrisiko sein!
Die Linke: Auf Bundesebene setzen wir uns für eine sofortige Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 Prozent des Durchschnittseinkommens ein. Das Renteneintrittsalter wollen wir absenken auf 65 Jahre bzw. 60 Jahre nach 40 Beitragsjahren. Erhöhungen des Renteneintrittsalters sind nichts Anderes als verdeckte Rentenkürzungen – das lehnen wir ab! Denn die Grenze verläuft nicht zwischen Alt und Jung, sondern zwischen Arm und Reich. Daher setzen wir uns als Linke dafür ein, die gesetzliche Rente zu stärken, indem alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen – auch Beamtinnen und Beamte, Freiberufliche oder Abgeordnete. Die Beitragsbemessungsgrenze soll erhöht und perspektivisch abgeschafft werden, damit hohe und sehr hohe Einkommen nicht mehr beitragsfrei bleiben. Sehr hohe Rentenansprüche über dem Doppelten des Durchschnittsniveaus sollen abgeflacht werden. Wir wollen eine Solidarische Mindestrente in Höhe von 1.200 Euro netto monatlich gewährleisten. Zeiten von Kindererziehung oder auch Pflegezeiten müssen deutlich besser anerkannt werden. Sie dürfen nicht dazu führen, dass die Betroffenen im Alter unter Armut leiden. Dazu zählt für uns auch die Abschaffung des Ehegattensplittings, denn es begünstigt durch verfehlte steuerliche Anreize eine geringe Erwerbsbeteiligung von Eheleuten, meist von Frauen. Bei der Rente haben Frauen auch aus diesem Grund häufig deutlich geringere Ansprüche.
SPD: Die soziale Rentenversicherung basiert auf der Solidarität zwischen den Generationen und beinhaltet die Verpflichtung der arbeitenden Generation zur Beitragszahlung in der Erwartung, dass die ihr nachfolgende Generation die gleiche Verpflichtung übernimmt. Jahre mit hoher Arbeitslosigkeit oder abnehmender bzw. stagnierender Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten vermindern jedoch die Beitragseinnahmen und führen zu Finanzierungsproblemen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das ist eine große Herausforderung für die Politik. Für die Sozialdemokratie ist dabei klar, dass die Rente stabil bleiben muss. Deshalb hat die SPD im Bund die Angleichung der Renten in Ost und West umgesetzt und die langfristige Rentengarantie eingebracht. Wir haben die Grundrente eingeführt und die Altersbezüge zum 1. Juli 2024 um 4,57 Prozent erhöht. Denn Arbeit muss sich auch in der Rente auszahlen.
ÖDP: Wenn die Kinder einer Generation zur Zahlung von Renten an alle Rentner herangezogen werden, wie das bei uns heute der Fall ist, dann sind auch alle Arbeitnehmer zur Finanzierung der Kinderkosten heranzuziehen. Die Selbständigen und Beamten sind sowohl in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen als auch an den Kosten der Kindererziehung zu beteiligen. Der „Generationenvertrag“ darf keine Einbahnstraße zugunsten der Rentner bleiben, sondern muss durch die Absicherung der Kinderkosten zu einem echten „Vertrag“ auf Gegenseitigkeit ausgebaut werden.
2. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Eltern künftig wieder frei entscheiden können, ob sie ihre U3-Kinder selbst betreuen oder in einer Krippe betreuen lassen, statt sie durch einseitige Finanzierung der Krippenbetreuung auf diesen Weg zu drängen?
CDU: Die Wahlfreiheit bei der frühkindlichen Erziehung ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir werden uns weiterhin für den Erhalt des von uns eingeführten Landeserziehungsgeldes einsetzen und dieses weiterentwickeln. Damit können wir eine Grundlage für Eltern schaffen, dass sie selbst entscheiden können, ob ihre Kinder zu Hause, im Kindergarten oder in der Tagespflege betreut werden.
AfD: Wir fordern, dass Eltern frei von wirtschaftlichen Zwängen zwischen Eigenbetreuung und Fremdbetreuung durch Kindertagesstätten oder Tagesmütter wählen können. Eine möglichst enge Bindung an die Eltern in den ersten drei Lebensjahren ist gesellschaftlich wie staatlicherseits zu unterstützen und zu fördern. Dementsprechend kritisch sehen wir die vielmals bloße Verwahrung von Kindern unter drei Jahren in Kitas. Die elterliche Betreuung von Kleinkindern zu Hause sollte gleichwertig unterstützt werden wie Fremdbetreuung. Die AfD wird Eltern finanziell unterstützen, ihre Kinder bis zum vierten Lebensjahr zu Hause betreuen zu können.
Die Linke: In Sachsen wird die Betreuung von Kindern in Krippe und Kita sehr gut angenommen. Etwa 70 Prozent der 1- bis 3-Jährigen und 94 Prozent der 3- bis 6-jährigen Kinder in Sachsen besuchen eine Kindereinrichtung – bundesweit einer der höchsten Werte. Die Entscheidung zu einem Kita-Besuch treffen allein die Eltern – sofern sie sich die teils beträchtlichen Eigenanteile für den Krippenbesuch leisten können. Die hohen Betreuungszahlen zeigen, dass Eltern in aller Regel die Betreuung der eigenen Kinder in der Krippe oder Kita in Anspruch nehmen. …
Eine hohe Qualität in der Kita, gute Bedingungen für die Kinder und Erzieherinnen und Erzieher sind dazu für uns als Linke ein ganz wesentliches politisches Ziel, dem wir in unseren Vorhaben Priorität beimessen. Die Absenkung des Betreuungsschlüssels ist eine Forderung, die wir seit vielen Jahren immer wieder einbringen, um die Qualität in den Kitas zu verbessern. Wir streben eine Fachkraft-Kind-Relation (Betreuungsschlüssel) von 1:4 in Krippen, 1:10 in Kindergärten und 1:17 in Horten an. Bei der Berechnung von Personalschlüsseln müssen Vor- und Nachbereitungszeiten ebenso wie Ausfallzeiten (wie Krankheit oder Urlaub) in die Berechnung einfließen. Weiterhin stehen wir dafür ein allen Kindern von der Krippe bis zum Abitur ein kostenloses Mittagessen bereitzustellen. Ein warmes, gesundes und abwechslungsreiches Mittagessen, am besten gekocht in der kitaeigenen Küche, gehört zum Kita-Tag dazu. – Die Kita-Elternbeiträge sollen nicht mehr steigen und innerhalb der nächsten fünf Jahre schrittweise abgeschafft werden.
SPD: Alle Eltern haben das Recht, über die Betreuungsform ihrer Kinder frei zu entscheiden, dazu steht die SPD. Mit dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz wurde für viele Familien Verlässlichkeit und Planungssicherheit geschaffen. Hierbei haben die Eltern die Wahl: Sie können entscheiden, in welcher Krippe mit welchem Träger und welchem pädagogischen Konzept oder bei welcher Kindertagespflegeperson ihr Kind betreut und gebildet wird. Zudem besteht kein Zwang, Kinder betreuen zu lassen. Neben dem Bundeselterngeld und den Regelungen des Ehegattensplittings unterstützt Sachsen Eltern, die ihr Kind selbst betreuen, mit dem Landeserziehungsgeld.
Für uns sind Kinderkrippen und Kindertagespflegepersonen ein wichtiger Teil der frühkindlichen Bildung. Mit der Novellierung des Sächsischen Kita-Gesetzes haben wir festgehalten, dass die Kindertagesbetreuung die Bildung und Erziehung des Kindes in der Familie begleitet, unterstützt und ergänzt sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert. Dabei wirken Eltern und Kita partnerschaftlich zusammen. Auftrag ist es,
dass die Kindertagesbetreuung dem Kind vielfältige Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten über den Familienrahmen hinaus bietet und sich dabei an einem alters- und entwicklungsspezifischen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag orientiert. Die pädagogische Arbeit basiert auf dem verbindlichen Sächsischen Bildungsplan. Mit dem Besuch einer Kita wird Teilhabe für die Kinder gesichert und frühe Bildung gewährleistet. Daher wollen wir die frühkindliche Bildung weiter stärken und mit einer verbesserten Fachkraft-Kind-Relation mehr Zeit für die Pädagog:innen organisieren.
ÖDP: Da schon aufgrund der gesetzlichen RV heute die Kindererziehung eine Arbeit im Interesse aller ist, ist sie auch entsprechend zu honorieren. Das gilt auch für die U3-Betreuung. Dabei darf die Honorierung nicht an eine vorgegebene Betreuungsart gebunden werden, wie das heute für den garantierten Krippenplatz gilt. Das Geld, das heute von Bund, Land und Kommunen für einen Krippenplatz aufgewendet wird, ist den Eltern auszuhändigen, damit sie selbst entscheiden können, ob sie damit einen Krippenplatz oder die Eigenbetreuung finanzieren. Das ist schon eine Forderung von Art. 6, Abs. 2 Grundgesetz.
3. Was halten Sie von der gegenwärtigen „Lohnersatzfunktion“ des Elterngeldes, die die Betreuung eines Kleinkindes wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit behandelt, statt als Arbeit zu betrachten? Nach unserer Überzeugung ist die elterliche Kinderbetreuung als eine Arbeit anzusehen, die heute aufgrund unserer Rentengesetzgebung allen ehemals Erwerbstätigen zugutekommt und deshalb mit einem für alle gleichen Lohn abzugelten ist statt durch einen vom vorangegangenen Erwerbslohn abhängigen „Lohnersatz“
CDU: Das Elterngeld ist eine steuerfinanzierte Sozialleistung, die vergleichende Betrachtung mit bspw. Krankheit geht aus unserer Sicht daher systematisch eher fehl. Gleichwohl sollte im Hinblick auf eine nachhaltige Ausgestaltung des Generationenvertrages die Frage thematisiert werden, inwieweit das Elterngeld im Konkreten bzw. „Familienarbeit“ im Allgemeinen entsprechende Berücksichtigung finden könnte.
AfD: Das sehen wir genauso. Darüber hinaus forderte die AfD-Fraktion in einem Antrag (BT-Drs.20/7199), den Empfängerkreis von Elterngeld auch auf Großeltern zu erweitern. Der Staat müsse eingreifen, um sicherzustellen, dass die Eltern die Geburt eines Kindes nicht als Hindernis für ihre Selbstverwirklichung oder als finanzielles Risiko betrachten, heißt es in dem Antrag. Bedingung soll sein, dass der entsprechende Großelternteil nicht erwerbstätig ist. Des Weiteren sollen die sorgeberechtigten Elternteile mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben.
Die Linke: Die Einführung des Elterngeldes war eine große Errungenschaft. Es ermöglicht vielen Eltern, die Zeit der Betreuung der Kinder nach der Geburt finanziell abzusichern und durch die gesetzlich geregelte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit den Wiedereinstieg in den Beruf zu sichern. Auch die Möglichkeit, die Betreuungszeiten zwischen den Eltern partnerschaftlich aufzuteilen, ist aus Sicht der Linken ein großer Gewinn. …
Der Kritikpunkt der Linken an der Ausgestaltung des Elterngeldes liegt jedoch vor allem darin, dass die Höhe des Geldes sich an dem vorherigen Erwerbseinkommen orientiert. Eltern ohne Einkommen oder mit geringen Einkommen haben lediglich Anspruch auf den Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro. Das reicht bei weitem nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern. Seit Einführung des Elterngeldes wurde dieser Betrag zudem noch kein einziges Mal erhöht. Somit sind sämtliche Preissteigerungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, hierin nicht abgebildet. Auch (kleine) Selbstständige können durch die für sie geringen Elterngeldzahlungen kaum eine Elternzeit von 14 Monaten finanziell absichern. Längere Elternzeiten können sich so nur diejenigen leisten, die über ausreichende finanziellen Reserven verfügen. Hier sehen wir als Linke dringenden Reformbedarf.
SPD: Das Elterngeld ist eine Erfolgsgeschichte sozialdemokratischer Familienpolitik und war ein Paradigmenwechsel. Zum 1. Januar 2007 wurde das Elterngeld eingeführt mit dem Ziel, vor allem Frauen dabei zu unterstützen, nach der Geburt ihres Kindes wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. 17 Jahre später fällt die Bilanz positiv aus. Das Elterngeld fungiert als Lohnersatzleistung zugunsten eines finanziellen „Schonraums“ für die Familie im ersten Lebensjahr und ermöglicht die wirtschaftliche Selbstständigkeit beider Elternteile. …
Der SPD reicht das aber nicht aus. Um noch stärkere Anreize für Väter zu setzen, deren Verhandlungsposition am Arbeitsplatz zu stärken und Familien in der frühen Phase besser zu unterstützen, ohne ihnen Wahlmöglichkeiten zu nehmen, strebt die SPD ein 6+6+6-Modell und eine Dynamisierung des Elterngeldes, des Mindest- und Höchstbetrags, an. Jeder Elternteil soll Anspruch auf sechs nicht übertragbare Monate Elterngeld haben. Die restlichen sechs Monate können frei zwischen den Partnern aufgeteilt werden. …
ÖDP: Die Erziehung von Kindern ist heute eine allen zugutekommende Arbeit und ist deshalb mit einem angemessenen Lohn abzugelten, der unabhängig von einer eventuellen früheren Erwerbsarbeit ist. Auch sehr junge Eltern, die noch nicht erwerbstätig waren oder Studenten leisten die gleiche Arbeit und sind deshalb gleichwertig zu honorieren.
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