REZENSION von MANFRED KLEINE-HARTLAGE | Was ist eigentlich links, was rechts? Noch in den siebziger und achtziger Jahren war diese Frage relativ leicht zu beantworten. Linkssein hieß so viel wie „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Heute bedeutet es das Gegenteil:
Wer heute als „links“ gelten will, darf das Wort „Volk“ nicht mehr in den Mund nehmen (weil das „völkisch“ sei), darf das globale Finanzkapital nicht kritisieren („Antisemitismus!“), muss strikte Zensur gegen Kritiker der herrschenden Klasse und Kriege gegen die Widersacher des amerikanischen Imperiums befürworten und jeden noch so dreisten und noch so totalitären Übergriff des herrschenden Machtkartells gegen die Bürger und Völker, gegen den Frieden und die verfassungsmäßige Ordnung gutheißen.
In einer Situation, in der die Existenz einer herrschaftskritischen Linken nötiger wäre als je zuvor, hat das herrschende Kartell den linken Mainstream kooptiert und korrumpiert: handfest durch Posten, Pöstchen und Subventionen, in subtilerer Weise dadurch, dass er dem unhinterfragten Utopismus der Linken passende Spielwiesen zur Verfügung stellt („multikulturelle Gesellschaft“) und ihre apokalyptischen Sehnsüchte nach Endschlachten („Last Generation“) und Feindbildern („Kampf gegen Rechts“) bedient.
Dass unter diesen Umständen ehemalige Linke scharenweise von der roten Fahne abfallen, liegt somit in der Natur der Sache. Einer der wortgewaltigsten und wirkmächtigsten von ihnen, nämlich der Compact-Herausgeber und Chefredakteur Jürgen Elsässer (65), hat nunmehr einen ebenso kurzweiligen wie erhellenden Lebensrückblick vorgelegt: Der Bogen spannt sich von der Kindheit im ordnungsliebenden Baden der fünfziger und sechziger Jahre über die Jugend als Aktivist und Agitator des Kommunistischen Bundes in den Siebzigern und Achtzigern, die erste journalistische Tätigkeit bei dessen Organ Arbeiterkampf, dann in den Neunzigern und Zweitausendern bei konkret, Junge Welt, Jungle World und Neues Deutschland bis hin zur Gründung der Compact, die heute die wichtigste Stimme der (nicht nur rechten) Opposition ist.
Elsässer vereint in sich den Vollblutjournalisten und das political animal, und dementsprechend ist seine Autobiographie nicht nur, aber auch ein Geschichtsbuch der Irrungen und Wirrungen, aber durchaus auch der Erkenntnisse und Leistungen, die der deutschen Linken früher gelangen. Wer etwa Elsässers Rückblick auf seine Zeit beim Kommunistischen Bund und dessen undogmatischen Aktivismus liest, lernt en passant einiges darüber, wie Opposition funktionieren kann.
Zugleich ist das Buch das Protokoll der Loslösung des Autors von der Linken und – spiegelbildlich dazu – der Linken selbst von ihrem eigenen früheren Ethos und geistigen Niveau. Diese Passagen sind naturgemäß besonders spannend für Leser, die – wie der Rezensent – einen ähnlichen Konversionsprozess hinter sich haben. Noch in den Neunzigern gehörte Elsässer zur antideutschen Szene und war sogar einer ihrer bekannteren Köpfe. Wie es zur antideutschen Wende eines Teils der Linken kam, schildert er im Rückblick selbstkritisch so:
»Plötzlich waren Zehntausende in Leipzig, Ostberlin und anderswo auf der Straße, die schwarzrotgoldene Fahnen schwenkten und laut riefen: „Wir sind ein Volk!“ (…) Es traf mich wie ein Hammer.
In einer solchen Situation blieben nur zwei Optionen: entweder das gesamte linke Gedankengut einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen und den Ballast abzuwerfen – womit ich aber erst gut zehn Jahre später begann – oder kackfrech zu sagen: „Nicht der Sozialismus ist gescheitert, sondern die Menschen, die ihn loswerden wollen. Das sind nämlich Faschisten!“ Statt zur notwendigen Selbstkritik zu finden, versuchten wir also, mit Schuldzuweisungen an das Volk unsere historische Niederlage zu vertuschen. Am Anfang der antideutschen Bewegung stand eine psychotische Verpanzerung, die unsere zerfallenden Charaktere stabilisieren sollte. Wir, auch ich, hätten uns in Therapie begeben sollen …
Stattdessen gingen wir als Psychotiker in die Offensive. Wie der Patient auf der Couch beim Rorschach-Test in jedem Tintenklecks ein kopulierendes Paar erkennen will und den Psychiater anschnauzt, er solle ihm nicht immer so schweinische Bildchen zeigen, halluzinierten wir in jedes Ereignis das Wiederaufleben des Faschismus hinein. (…) Wir waren im Wahn, aber gerade deswegen auch wie auf Speed.«
Die Erkenntnisse, dass man nicht gleichzeitig anti-imperialistisch und antideutsch sein kann, dass Nationen natürliche Widerscher imperialistischer Weltordnungen sind und Antifaschismus nur zu gut als Leine taugt, an der vermeintliche oder auch Linke ihren Herrchen hinterhertrotten (für deren Gegner sie sich halten, wobei sie die Existenz der Leine in Abrede stellen), reiften bei Elsässer schrittweise und um den Preis der politischen Isolierung auf der Linken.
Nonkonformismus – heutiges Markenzeichen der Ex-Linken
Nonkonformismus, also die Bereitschaft, an einer als richtig erkannten Position auch bei stärkstem Gegenwind festzuhalten, war einst das Markenzeichen der Linken. Heute ist es dasjenige der Ex-Linken und der wenigen verbliebenen oppositionellen Linken. Der linke Mainstream dagegen ist konformistisch. Er ist es aber nicht in dem passiven Sinne, in dem es der brave Bürger ist, sondern im Sinne eines aggressiven Untertanentums, wie es von Heinrich Mann karikiert worden ist. Es ist der Konformismus von Endlösern und Genickschützen im Wartestand.
Elsässers „Compact“ wird von den Linken nicht deswegen als „rechtsradikal“ verbellt, weil sie dies in irgendeinem vernünftigen Sinne wäre, sondern weil sie oppositionell ist und die Linken es nicht sind. Tatsächlich verkörpert „Compact“ eine Erkenntnis: nämlich, dass ein Land, in dem zwischen den Flügeln „Rechts“ und „Links“ auch dann keine Brücken geschlagen werden, wenn es in Gefahr ist, dem Untergang geweiht ist. Die „Querfront“ ist weder ein exzentrischer Wunschtraum noch ein raffinierter rechter Schachzug, wie die Linken in ihrer Paranoia unterstellen, sie ist eine Notwendigkeit.
Leider wird diese Notwendigkeit auch von vielen Oppositionellen nicht eingesehen. Der letzte Teil des Buches, in dem Elsässer die Geschichte der „Compact“ erzählt, ist eine Geschichte der Erfolge, aber auch der Mühe, die es bereitet, den notwendigen Pluralismus einer Opposition zu verteidigen, in der allzu viele Akteure sich voneinander distanzieren, und dies nicht selten aufgrund bauernschlauer taktischer Milchmädchenrechnungen.
Wer nur links ist, ist überhaupt nicht links
Ungeachtet dessen ist der „Compact“-Teil von „Ich bin Deutscher“ unter dem Strich ermutigend. Wenn Elsässer die Stationen der letzten Jahre Revue passieren lässt – Eurokrise, Sarrazin, Pegida, Flüchtlingskrise, Klimawahnsinn, Corona, jetzt die Ukrainekrise –, so wird man daran erinnert, wie sehr der widerborstige Teil unseres Volkes stetig gewachsen ist und seine Schlagkraft mit jeder Krise steigert, in die wir vom herrschenden Kartell gelotst werden. Auch der Ukrainekrieg wird vermutlich kein Gegenbeispiel abgeben. Gut möglich und sogar wahrscheinlich, dass mancher, der sich von der künstlich erzeugten Kriegspsychose der letzten Wochen hat anstecken lassen, in drei Monaten schon ganz anders denkt und sich ärgert, weil er sich darauf besinnt, dass er es besser hätte wissen müssen.
Über die Frage, was links ist und was rechts, kann man lange diskutieren. Wer „Ich bin Deutscher“ liest, wird aber mindestens eine Erkenntnis gewinnen (sofern er sie nicht schon hatte):
Wer nur links (und nicht zugleich ein bisschen rechts) ist, ist überhaupt nicht links. Wer aber nur rechts ist, ohne etwas vom früheren bastillestürmenden Elan der Linken zu haben, ist überhaupt nicht rechts.
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Patriotisch zu seinem Land und Landsleuten zu stehen hat erst einmal nichts mit der politischen Überzeugung zu tun.
Zu dem Beitrag möchte ich feststellen, „lieber eine späte Erkenntnis, als gar keine!
Jedenfalls bei mir persönlich hat der Prozess, den Elsässer an sich beobachtet hat und beschreibt, schon viel früher zur Erkenntnis und zur „sofortigen“ „Loslösung[…] von der Linken und – spiegelbildlich dazu – der Linken selbst von ihrem eigenen früheren Ethos und geistigen Niveau“, geführt, und zwar nicht erst in den Neunzigern ff., sondern schon in den frühen Achtzigern des vorigen Jahrhunderts. Im übrigen gebe ich dem Rezensenten rechts, dass diese oder solche Passagen besonders interessant sein dürften.
Zitat: „Gut möglich und sogar wahrscheinlich, dass mancher, der sich von der künstlich erzeugten Kriegspsychose der letzten Wochen hat anstecken lassen, in drei Monaten schon ganz anders denkt und sich ärgert, weil er sich darauf besinnt, dass er es besser hätte wissen müssen.“
Ich korrigiere: „Gut möglich und sogar wahrscheinlich, dass mancher, den das aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine aufgeschreckt hat, in drei Monaten wieder in sein altes, wohlstandsverwöhntes Phlegma des Sofahelden zurückfällt, dem nichts über eine Dose Bier beim seiner Meinung nach wohlverdienten Feierabend vor der Glotze geht. Prost!“ (Also genau das Phänomen, das der AfD nach jedem Terroranschlag kurzzeitige Höhenflüge beschert.)
@ MANFRED KLEINE-HARTLAGE |
lieber Patriot – excellent zu Jürgen Elsässer Biografie und seiner politischen Kurskorrektur kommentiert.
Ich hatte schon vor Jahren Ihren Vortrag „warum ich kein Linker mehr bin“ als Mußlektüre absolut verstanden. Auch in div. Medien geteilt und weitertransportiert. Ich schätze, weder Ihr Buch „Systemfrage“, noch das aktuelle von Jürgen Elsässer, noch ihr vorgen. Exkurs linker Ideologie und der Folgen daraus (wie es in deren Augen quasi von „unten nach oben regnen soll“) wird das gemeine demagogisch, irrgeleitete, vollgepumpte Volk jemals verstehen. Selbst die GRünen und die SPD Anhänger haben längst ein solches Brett vor dem Kopf, dass sie sich von der Antifa in nichts mehr unterscheiden.
Ich war nie Mitglied irgendeiner Partei, ebenfalls lange eher „Links“ (SPD) orientiert wie von Ihnen rezitiert beschrieben. Für mein Schwiegervater CDU Hardliner- war ich damit harmlos politisch engagiert schon „Kommunist“, der seine heile CDU Welt inkl. sein zusammgespartes Häuschen verstaatlichen wollte. Kurrios- Heute (vor Jahren gestorben) wäre er wahrscheinlich für die AfD nachdem er sehen würde was aus Deutschland und „seiner CDU“ geworden ist. Seine Ex CDU,SpD Grüne, Gelbe …wie ich , alle Linken Ideologen zum Teufel gewünscht.
Hallo J.Elsässer auch ich bin Deutscher. Ebenfalls von „Links“ zum Patrioten!
Es sollten Millionen sein!
Die gesamte weisse westliche Mittelschicht ist allgemeine so gestrickt und ist keine deutsche Domäne.
Elsässers Biographie ist tatsächlich interessant und was man ihm zu Gute halten kann: Er war immer konsequent. Sowohl auf seinen Irrwegen, als auch bei seiner Umkehr. Quasi eine Art Kronzeuge der politischen Zeitgeschichte der brd. Für Jüngere wird sich das Buch wie eine Zeitreise in eine bessere Welt anfühlen, denn die heutige allmächtig scheinende linke Hegemonie in der westlichen Welt hat die Daumenschrauben soweit angezogen, dass kaum noch Luft zum Atmen bleibt (Stichwort Maskenpflicht).
Ich bin gespannt, wann bei vielen „geimpften“ endlich der Groschen fällt. Viele von denen scheinen latent chronisch krank zu sein, husten und schniefen was das Zeug hält. Außerdem bekommen sie oft „corona“, trotz der drei Schüsse in die Venen. Natürlich nicht alle, aber eben schon in einem Maße, dass es auffällig ist. Aber die richtigen Schlüsse daraus ziehen sie (noch) nicht.
Plötzlich haben sich die Linken – nicht die Partei Die LINKEN – geoutet und sind zu Kriegstreibern mutiert. „Der Zweck heiligt die Mittel“, und der muss sozialistisch sein. Wie hieß es noch „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Make love not war“ usw. Aber wehe es ergibt sich eine Möglichkeit, wo es was zu holen gibt, dann werden alle „Guten Vorsätze“ über den Haufen geworfen. Wenn wir als Kinder mit Stöcken aufeinander losgegangen sind, haben uns die Eltern die Stöcke weggenommen. In die Fresse hauen durften wir uns, aber ohne Waffen. Die Hauereien auf Tanzböden und in Kneipen sind schöne Erinnerungen. Einmal habe ich mir sogar die Hand gebrochen, der saß aber auch. Niemand wäre auf die Idee gekommen, einen abgebrochenen Flaschenhals oder ein Messer zu benutzen. Die Auseinandersetzungen fanden quasi nach olympischen Regeln statt, denen des Barons de Coubertin. Aus Bunkern mit Lenkwaffen Menschen zu töten, ist doch feige.
Der Krieg in der Ukraine ist ein Stellvertreterkrieg im Kalten Krieg (jetzt heiß) zwischen US-Amerika und Russland und als „Der nächste Krieg wird in Europa stattfinden“ schon lange vorhergesagt. Wie können Politiker(innen) nur so dämlich sein, darauf rein zu fallen und „Denen“ ihr schmutziges Geschäft zu besorgen. Willfährige Handlanger waren anscheinend schnell zu finden. Allerdings steht ein Verlierer wie immer schon fest: Deutschland.
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In Zeiten,
wo die Lügen
perfektioniert und
quasi allmächtig werden,
kehrt sich damit für wache
Geister so ziemlich alles
um. Oder um es mit
eim Spruch zu
sagen —
Der Revolutionär
von heute ist also
notgedrungen
reaktionär.
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https://neue-spryche.blogspot.com/2017/04/notizen-auf-notsitzen.html
.
PS.
Es sollte
nicht so strikt
und behämmert
zwischen rechts und
linke unterschieden
werden, sondern
zwischen fähig
und verpeilt.
Hier noch
ein Bsp.
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https://uncutnews.ch/noam-chomsky-trump-ist-der-einzige-westliche-staatsmann-der-auf-ein-ende-des-krieges-in-der-ukraine-draengt/
Erwachsen werden ist nicht leicht und oftmals sehr schmerzhaft. Die meisten Deutschen schaffen das nie.
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