Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch (Foto) ist verärgert. Aufgrund einer Umfrage unter 600 Berlinern wurde ein interaktiver Verbrechens-Stadtplan erstellt, der nun im Internet zeigt, wo die schlimmsten Viertel in Berlin und neun anderen Metropolen liegen. Der Polizeipräsident findet das nicht lustig, die Studie sei „unbrauchbar“.
Berlins Polizeipräsident ist verärgert. Nach allem, was er bisher darüber gelesen habe, sei die Studie „unbrauchbar“, sagt Dieter Glietsch SPIEGEL ONLINE. Die Studie – damit meint er eine neue, Auffsehen erregende Untersuchung des europäischen Forschungsprojekts „European Crime and Safety Survey“ (EU ICS), eines Konsortiums unter Beteiligung des Meinungsforschungsinstituts Gallup und des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht.
Rund 35.000 Personen haben die Forscher in verschiedenen europäischen Ländern befragt: Fühlen Sie sich in Ihrer Nachbarschaft unsicher? Ist Ihnen in den vergangenen Jahren ein Auto gestohlen worden? Gibt es in ihrer Nachbarschaft häusliche Gewalt?
Diese und Dutzende weitere Fragen wollten die Forscher beantwortet haben – und fragten außerdem nach dem Wohnort. In Berlin fragten sie eigens besonders viele Menschen, insgesamt 600, um die Umfrageergebnisse auf Stadtpläne übertragen zu können. Auf diese Weise entstanden erstmals in Europa Karten der Kriminalität, die nun im Internet für jeden frei zugänglich und abrufbar sind.
Der Berliner Polizeipräsident Glietsch kritisiert an den Karten vor allem, dass die Einfärbung nichts über die tatsächliche Verteilung der bekannt gewordenen Kriminalität aussagt – weil sie auf einer Umfrage basiert und „nicht auf kriminalstatistischen Daten über begangene Straftaten“. (…) Außerdem seien zu wenig Menschen befragt worden, kritisiert Glietsch. 600 in der 3,4-Millionen-Einwohner-Stadt Berlin – da sei die „statistische Basis absolut unzureichend“. Die Daten seien „auch für eine Aussage über die Verteilung der gefühlten Kriminalität nicht zu gebrauchen“.
Grundsätzlich findet Glietsch ja die Idee eines solchen Kriminalität-Stadtplans gut, aber der muss von ihm authorisiert sein. Die Gewerkschaft der Polizei sieht das anders:
Positiver beurteilt Eberhard Schönberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Berlin, die eingefärbten Stadtpläne. „An den Einfärbungen lassen sich Tatsachen erkennen“, sagt er SPIEGEL ONLINE. „Dass die Verbrechensrate in bestimmten Kiezen besonders hoch ist, ist allerdings nicht Neues.“
Na na, darf man sowas denn sagen?
Im Vorfeld der Fußball-WM war es vollkommen salonfähig, vor No-Go-Areas in Brandenburg zu warnen, wo Rechtsradikale ihr Unwesen treiben und ständig dunkelhäutige Menschen überfallen. Aber in Berlin könnte ja eine andere Bevölkerungsgruppe in den Brennpunkt geraten, und das wäre sehr wenig politisch korrekt.
(Spürnase: Florian G.)
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