Ich traf ihn da, wo man ihn am wenigsten erwartet: in der Kneipe. Dort saß er, der Weihnachtsmann, mit einer roten Nase, die nicht von der Kälte herrührte. Er saß auf einer Eckbank, hatte nichts im Sack und einen in der Kiste. Ich war entgeistert und fragte besorgt und mitfühlend: „Was bedrückt dich denn so, lieber Weihnachtsmann?“ „Weltschmerz, jammerte er, „Weltschmerz, ich habe Weltschmerz“.
(Aus dem Satireband: „Kleine Geschichten über Politik und andere Leiden des Lebens“ von Dr. Jörg Hellmann)
Er schob mir auch einen „Kümmerling“ rüber. Ich legte tröstend meinen Arm auf seinen roten Samtmantel:
„He, Weihnachtsmann, komm, erzähl mir. Was quält dich?“
Er fuhr auf: „Ihr Menschen macht mich zu einer Lachnummer. Ein grotesker Wunsch jagt den nächsten. Oma wünscht sich, dass überall Frieden herrschen soll. Mamma wünscht sich, dass alle Menschen glücklich sind. Und der fünfjährige Adriano-Merlin wünscht sich, dass alle Menschen auf der Welt gesund sein sollen. Warum kann der sich nicht einfach ein Schwesterchen wünschen, Mamma sich ’n Kochbuch und Oma eine Flasche Doppelherz…“
Er leerte sein „Königpilsener“ in einem Zug und fuhr verbittert fort:
„Ich habe keine Erfolgserlebnisse mehr. Wunsch für Wunsch muss ich abschlagen. Wie ein Versager stehe ich da.“
Er tat mir Leid. Und Recht hatte er.
„Höre“, sagte ich, „ich mache dir einen Vorschlag. Ich äußere ein paar ganz einfache Wünsche. Und die erfüllst du mir dann zu Weihnachten, dann geht es dir und mir besser.“
Er sah mich hoffnungsfroh an: „Einverstanden, fang an.“
„Ich wünsche mir ein bisschen Vernunft und Augenmaß im Stadtrat.“
„Geht das schon wieder los! Würde eine neue Bestuhlung es nicht auch tun?“
Ich sah die Maßlosigkeit meines Verlangens ein:
„Dann wünsch ich mir ein wenig gesunden Menschenverstand bei der städtischen Verkehrsplanung.“
„Wünsch dir, dass eine phantastische neue Stadthalle gebaut wird, das ließe sich machen.“
Der Weihnachtsmann frönte weiterhin dem Teufel Alkohol, um seinen Ärger wegzuspülen. Um ihn aufzubauen, sagte ich:
„Ich wünsche mir jetzt was ganz Einfaches. Ich wünsche mir bei Ratsentscheidungen weniger parteipolitische Scheuklappen.“
Die Tränen rannen ihm über Gesicht, weil er mir wieder nicht helfen konnte. Gott sei Dank kam gerade der Wirt rein: „Alfred“, sagte der Weihnachtsmann, „bring mir noch mal zwei Köpi und zwei Kümmerlinge. Was wünscht du dir eigentlich von mir?“
Der Wirt überlegte kurz:
„Dass ich bei jedem Pferderennen die Dreierwette treffe…“
„Siehst du“, sagte der Weihnachtsmann triumphierend zu mir und seine Tränen versiegten, „das nenn ich ordentliche Wünsche!“
© Dr. Jörg Hellmann, Autor der Bücher „Kleine Geschichten über Politik und andere Leiden des Lebens“ (ISBN: 978-3-9810380-0-2) und „Michel schlägt zurück“ (ISBN 978-3-00-011725-1), Satirische Gesellschaftskritik, Zeichnungen: Jonas Bruns, Informationen unter: www.politik-satire.de, Email: hellmann-j@t-online.de
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Mir scheint, Herr Dr. Hellmann hat einmal einer Stadtratssitzung in Köln beigewohnt.
Fröhliche Weihnachten, Herr Dr. Hellmann, und weiter so! 🙂
PS: Ich habe mir übrigens zu Weihnachten eine neue Bratpfanne gewünscht und auch bekommen!
Ein palästinensischer Muslime hat dem Weihnachtsmann einen langen (anklagenden) Brieg geschrieben. Dieser hat ihm jetzt darauf geantwortet:
http://aron2201sperber.wordpress.com/2008/12/25/brief-eines-palastinensischen-muslimen-an-den-weihnachtsmann-und-dessen-antwort/
Der Weihnachtsmann, er „hatte nichts im Sack und einen in der Kiste“.
Das läßt man auf der Zunge zergehen.
„Je belämmerter die Zeiten werden, desto schwerer fällt es mir, ernst zu bleiben.“
Bissige Satire, niemals verzweifelt. Und, nach eigenem Bekunden, „garantiert kein SPD-Mitglied“.
Einen Kümmerling und ein Pils? Warum nicht?
Fröhliche Weihnacht, Jörg Hellmann !
TEUFEL sagt: Das Buch ist HEAVEN, not HELL, Mann!
Was hätte dieser Weihnachtsmann gesagt, wenn man von ihm z. B. gewünscht hätte, dass die Gemeinde Bonn-Witterschlick das Grundstück an die türkischen Kolonialisten nicht verkauft und diese dort keine neue Moschee bauen? Wäre das ein einfacher oder ein komplizierter wunsch?
Ja, lieber Weihnachtsmann. Ich hätte da auch ein paar Wünsche, die du mir sicher nicht erfüllen kannst. Z. B. dass unsere Politiker es endlich schaffen, unsere Kulturbereicherer und Schätze, samt ihren Förderern und Allesverstehern aus dem Land jagen. Wir wohl nicht zu erfüllen sein, da dann die Politker auch gehen müssten und die lassen sich doch nicht von den vom Steuerzahler finanzierten Fleischtrögen verjagen. Das wäre ein Weihnachtsgeschenk, Sonne, Mond und Sterne mit ihren Freunden gemeinsam in einem Zelt in der Wüste.
So schön die weltlichen Wünsche auch sind, aber sie sind leider sehr schwer zu verwirklichen, gerade für den Weihnachtsmann. Das müssen wir schon alleine tun. Also, lieber Weihnachtsmann – Kopf hoch. Gemeinsam bekommen wir das schon hin (hoffe ich zumindest).
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