In der „Wiener Donauerklärung“ vom Juni dieses Jahres wird die Donau ausdrücklich als „Fluss der Europäischen Union“ bezeichnet, was deutlich macht, dass der kollektive Westen, vertreten durch Brüssel, den Donauraum als eine Zone seines ausschließlichen Einflusses betrachtet.
In der „Wiener Donauerklärung“ vom Juni dieses Jahres wird die Donau ausdrücklich als „Fluss der Europäischen Union“ bezeichnet, was deutlich macht, dass der kollektive Westen, vertreten durch Brüssel, den Donauraum als eine Zone seines ausschließlichen Einflusses betrachtet.

Von ZORAN CVOROVIC* | Dient die Donau, wie die makroregionale Strategie der EU für das Baltikum und die Adria-Ionische Region, dem wirtschaftlichen Wohlstand der lokalen Staaten und Völker oder dient sie der Erhaltung der Hegemonie des kollektiven Westens in Regionen von strategischer Bedeutung als territoriale Verbindungen Eurasiens?

Als am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts klar wurde, dass es – vor allem aufgrund der institutionellen Krise innerhalb der EU selbst – keine weitere Erweiterung der Europäischen Union geben würde und eine weitere NATO-Osterweiterung den kollektiven Westen in einen offenen Konflikt mit Russland bringen würde (wie Putin in seiner historischen Münchner Rede im Jahr 2007 deutlich warnte), änderte der kollektive Westen die Form und Taktik der Integration des strategisch wichtigen Schwarzmeer-Balkanbeckens.

Eine neue Phase der alten „Bewegung nach Osten“

In der neuen Phase seines alten „Aufbruchs nach Osten“ ersetzte der kollektive Westen die traditionelle institutionelle Integration durch einen informelleren und flexibleren Ansatz. Infolgedessen verabschiedete die Europäische Union 2011 und 2014 zwei makroregionale Strategien – die EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR) und die Strategie für den adriatisch-ionischen Raum (EUSAIR) – mit dem Ziel, Politiken und Aktivitäten in vorrangigen Bereichen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern des Donau- und adriatisch-ionischen Raums zu koordinieren.

Der geopolitische und sicherheitspolitische Hintergrund solcher integrativen, scheinbar ausschließlich auf Wirtschaft, Infrastruktur und Umwelt ausgerichteten makroregionalen Strategien der EU wird deutlich, wenn man die EU-Strategie für den Donauraum im Lichte des Stellvertreterkriegs analysiert, den der kollektive Westen auf ukrainischem Territorium gegen Russland führt.

Verbindung der Gebiete des historischen Intermariums

Die Ukraine ist neben fünf Nicht-EU-Ländern aus der Region – Moldawien, Serbien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro – sowie neun EU-Mitgliedstaaten aus dem Donauraum– Deutschland, Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien und Rumänien – in die EU-Donaustrategie einbezogen. Im ursprünglichen Aktionsplan der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2010 wurden drei vorrangige Bereiche hervorgehoben, in denen in den folgenden Jahren ein hohes Maß an Koordinierung zwischen den Ländern des Donauraums erreicht werden sollte:

1) Verbesserung der Mobilität und Multimodalität der grenzüberschreitenden Verkehrsinfrastruktur zwischen den Ländern dieser Region;
2) Nachhaltige Energieentwicklung, darunter Schaffung einer gemeinsamen Energieinfrastruktur und eines gemeinsamen Energiemarkts sowie gemeinsame Anstrengungen zur Steigerung der Quellen „sauberer“ Energie;
3) Grenzüberschreitende Förderung von Kultur und Tourismus und generell von Kontakten zwischen den Menschen im Donauraum.

Von besonderer Bedeutung ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Energiebereich. Dem Aktionsplan zufolge plant die Europäische Union, ihren Energiebinnenmarkt auf die oben genannten Länder des Donauraums auszudehnen. Die regionale Zusammenarbeit im Energiesektor innerhalb des Donauraums ist in erster Linie Teil der umfassenderen Strategie der EU zum Bau von
Energieverbindungsleitungen entlang des Nord-Süd-Korridors, durch die das Gebiet des historischen Intermariums von der Ostsee bis zur Adria und dem Schwarzen Meer zu einem einheitlichen Energieraum verbunden werden soll. Dieser wird nun im Rahmen der Drei-Meere-Initiative wiederbelebt.

Memorandum in Kladovo unterzeichnet

Im Bereich der Energieverbindungsleitungen sieht der EU-Aktionsplan 2010 für den Donauraum, der von der Donaustrategie abgedeckt wird, unter anderem den Bau von Gasverbindungsleitungen zwischen Bulgarien, Rumänien und Serbien, die Verbindung der Stromnetze zwischen Rumänien und Bulgarien, Rumänien und Moldawien, Ungarn und Kroatien, Ungarn und Rumänien sowie Österreich und Ungarn sowie den Bau einer Hochspannungsleitung zwischen Rumänien und Serbien und die Energieverbindungsleitung zwischen der EU und der Ukraine vor. Der EU-Aktionsplan 2010 für den Donauraum, der im Rahmen der Donaustrategie umgesetzt werden soll, umfasste auch den Bau eines Flüssigerdgasterminals auf der kroatischen Insel Krk sowie Machbarkeitsstudien für ähnliche Terminals in Rumänien und Bulgarien.

In Bezug auf Serbien ist es wichtig hervorzuheben, dass der Bau der Transbalkan-Stromleitung zwischen Pancevo und Resita in Rumänien 2017 abgeschlossen wurde und die Gasverbindungsleitung zwischen Bulgarien und Serbien 2023 fertiggestellt werden soll . Am 5. August dieses Jahres unterzeichnete die serbische Energieministerin Dubravka Dedovic Handanovic in Kladovo mit ihrem rumänischen Amtskollegen ein Memorandum über den Bau einer Gasverbindungsleitung zwischen Serbien und Rumänien, die den Gasspeicher in Mokrin mit der rumänischen BRUA-Pipeline von Busteni nach Recas verbinden soll.

Geopolitische Trennung des Donauraums von Russland

Die Energieintegration des Donauraums durch den Bau von Gas- und Stromverbindungsleitungen soll die starke Abhängigkeit der Region von fossilen Brennstoffen aus Russland verringern. Um dasselbe Ziel zu erreichen, fördert die EU die Nutzung erneuerbarer Energiequellen im Donauraum und popularisiert die „Grüne Agenda“. Die geopolitische Trennung des Donauraums von Russland und seine
Einbeziehung in die ausschließliche Kontrollsphäre des kollektiven Westens wird im Aktionsplan 2020 der Donaustrategie unter Umweltideologie verschleiert. Der Plan betont unter anderem die Notwendigkeit der Dekarbonisierung der in diesen Ländern während der kommunistischen Zeit errichteten zentralen Fernwärmesysteme, die hauptsächlich auf fossilen Brennstoffen, insbesondere Gas und Kohle, basieren.

Im 2020 überarbeiteten Aktionsplan wurde der Zweck der Donaustrategie als makroregionale Integrationsstrategie der EU erstmals offen in einem geopolitischen Kontext interpretiert. In diesem Dokument wird der Donauraum zusammen mit dem Schwarzmeerbecken als „Tor“ nach Zentralasien, Russland und China sowie zur Türkei und zum Nahen Osten bezeichnet. Dies unterstreicht deutlich die entscheidende Bedeutung dieser Makroregion in der Neuauflage des romanisch-germanischen „Drive to the East“.

Die schärfste Verurteilung des russischen „Angriffskrieges“

Seit dem Beginn der bewaffneten Phase des hybriden Krieges des kollektiven Westens gegen Russland mussten die neokolonialen Interessen des kollektiven Westens im Donauraum nicht mehr unter dem Deckmantel der angeblichen Sorge Brüssels und seiner ausländischen Mentoren um die Umwelt, die Transportmobilität und die Energieunabhängigkeit der Länder dieser Region verborgen werden. Die Kernpunkte der „Wiener Donauerklärung“, die im Juni dieses Jahres von allen Mitgliedern der Donaustrategie, einschließlich Serbien , einstimmig unterstützt wurde, enthüllen klar die ursprünglichen Absichten der Initiatoren dieser makroregionalen Integration, die der Donaustrategie die Rolle von Neumanns Mitteleuropa in angelsächsischer Interpretation zuwiesen. In der Wiener Erklärung heißt es, der Donauraum, der 14 Länder und 115 Millionen Menschen umfasst, sei zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt, und besonders hervorgehoben wird der „Angriffskrieg“ Russlands gegen die Ukraine, den alle Mitgliedsländer der Donaustrategie „aufs Schärfste verurteilen“.

Gleichzeitig drücken die Mitgliedsländer der Donaustrategie in derselben Erklärung ihre Unterstützung für die territoriale Integrität Moldawiens aus, ignorieren dabei aber den ungeklärten Status Transnistriens, die Bedrohung der Autonomie Gagausiens durch die offiziellen Behörden in Chi?in?u, die Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung Moldawiens und insbesondere die offenen Bestrebungen des offiziellen Bukarests nach einem Großrumänien.

Die Erklärung besteht auf einer weiteren Stärkung der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine sowie zwischen der EU und den westlichen Balkanstaaten und betont die strategische Bedeutung des Schwarzmeerbeckens für die EU.

Donau – der Fluß der Europäischen Union?

In der Erklärung wird die Donau ausdrücklich als „Fluss der Europäischen Union“ bezeichnet, was deutlich macht, dass der kollektive Westen, vertreten durch Brüssel, den Donauraum als eine Zone seines ausschließlichen Einflusses betrachtet. Angesichts der Kriegsumstände und der neuen Rolle, die dem Donauraum zugewiesen wird, betont die Wiener Erklärung nicht nur wie bisher die infrastrukturelle und energetische Anbindung der Region, sondern auch gemeinsame Bildungsprogramme. Dazu gehören unter anderem Bemühungen zur Steigerung der digitalen Kompetenz, damit die Bevölkerung der Donauländer Desinformation im Internet wirksam entgegentreten kann. Obwohl Russland in diesem Teil der Erklärung nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist klar, dass sich diese Aktivitäten in erster Linie gegen Moskau richten. Somit wird die Legitimität des orwellschen „Wahrheitsministeriums“ in Brüssel in den Donauländern durch die Annahme einer solchen Erklärung durch alle Mitgliedstaaten der Donaustrategie sichergestellt.

Die Donau dient zusammen mit den makroregionalen Strategien der EU für das Baltikum und die Adria-Ionische Region ausschließlich dazu, die Hegemonie des kollektiven Westens in Regionen von strategischer Bedeutung als territoriale Verbindungspunkte Eurasiens aufrechtzuerhalten, und nicht dazu, den wirtschaftlichen Wohlstand lokaler Staaten und Völker zu fördern, wie dies in der serbischen Sozialwissenschaft oft behauptet wird, wo unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Analysen Plattitüden über wirtschaftlichen Wohlstand, Mobilität, die Wissensgesellschaft und die grüne Agenda aus offiziellen Dokumenten der EU- und
Donaustrategie nachgeplappert werden. Für Serbien und insbesondere für das serbische Volk als Ganzes, dessen Überleben als souveräne Einheit auf historischem serbischem Boden vollständig davon abhängt, außerhalb euro-atlantischer Integrationen (EU =
NATO) zu bleiben, gefährdet die Teilnahme an einer solchen makroregionalen Integration seine Interessen auf kritische Weise. Diese Integration bindet den Donauraum vollständig in die Energie- und Verkehrssysteme der EU und damit in ihr Sicherheitssystem ein, auch ohne dass Serbien und Bosnien und Herzegowina (Republika Srpska) der EU und der NATO formell beitreten.

Kompensation für den Verlust geopolitischer Wahlmöglichkeiten

Ein derart hohes Maß an Koordination stellt Serbiens offiziell proklamierte militärische Neutralität völlig in Frage, insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich die Europäische Union seit Beginn der Feindseligkeiten in der Ukraine rasch von einem Wirtschaftsbündnis zu einem politischen und vor allem militärisch-sicherheitspolitischen Bündnis gewandelt hat. Folglich sind die Mittel, die Serbien aus dem IPA (Instrument für Heranführungshilfe) erhält, um die in den strategischen Dokumenten der Donaustrategie beschriebenen Aktivitäten umzusetzen, nur eine minimale Kompensation für den Verlust strategischer geopolitischer
Wahlmöglichkeiten, der sich aus der Einbeziehung in scheinbar harmlose regionale Initiativen wie die Donaustrategie ergibt.


*Dieser Beitrag erschien im Original auf dem serbischen Portal „Eagleeyeexplore“

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4 KOMMENTARE

  1. „Donaustrategie:“
    Werter Herr Autor, danke für ihre Muehe und Zeit fürs Aufschreiben.
    Aber ich als Holsteiner Oostseeanrainer weiss nicht mal, wo ihre Donau ist.
    Grund: Hab die nie gebraucht, nie vermisst, ist einfach nicht aufm Zettel.

    Nehmen Sie meine Meinung über unwichtige Baustellen nicht persönlich,
    vielleicht findet sich nach ein paar Tagen wirklich ein fachkundiger Kommentator.
    In scheeden Fall viel Erfolg mit Ihrem Anliegen.

  2. Also die Karte hier zeigt, wo die Donau fließt:
    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7f/Karte_Donau.png
    Wikipiedia sagt, sie berühre zehn Länder: Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Republik Moldau und die Ukraine.
    Abgesehen von der Ukraine – von der Putin gesagt hat, daß es für ihn auch ok wäre, wenn sie in die EU gehen würde – womit hat der Artikel denn ein Problem, daß diese Länder alle in der EU sind? Was meint er überhaupt?

  3. Glaube als Dienstleistung:
    Auch dann, wenn das Opfer lügt?
    Wenn es prügelt, raubt und zusticht?
    Auch dann, sagt die Kirche, denn das Gebot der Nächstenliebe gilt ausnahms- und bedingungslos. Auch Terroristen, mahnt uns Margot Käßmann, ebenfalls Ratsvorsitzende a.D., sollten wir mit Liebe und Gebet begegnen. Tatsächlich hat der zuständige Bischof den Mord von Kandel, einer pfälzischen Kleinstadt, in der ein Flüchtling seine ungetreue Freundin kurzerhand abgestochen hatte, zum Anlaß genommen, vor einem Rückfall in die Barbarei zu warnen. Er zielte damit aber keineswegs auf den Mörder, sondern auf die Demonstranten, die den Kerl nach Hause schicken wollten. Die Kirchenleitung hält das für unchristlich. Ein Flüchtling bleibt für sie auch dann der Nächste, wenn er zusticht….
    https://jungefreiheit.de/debatte/2024/abschied-der-volkskirchen-die-messe-ist-gelesen/
    Es heißt „Liebe Deinen Nächsten, WIE DICH SELBST!“
    DAS haben viele Menschen vergessen, und die Kirchen haben daran fleißig mit dazu beigetragen.
    Das ist an der Donau , Weser, Elbe, überall dasselbe.

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