Franz SchönhuberImmer wieder hört man bei der Argumentation für eine sogenannte „realpolitische Linie“ der AfD, die Partei dürfe nicht in die „Republikaner-Falle“ tappen. Radikale Kräfte müssten also hinaus gedrängt werden, um als Partei mehrheitsfähig zu bleiben bzw. zu werden. Wer diese Argumentation vertritt, beweist damit allerdings nur seine völlige Unkenntnis oder bewusste Ignoranz der Geschichte der „Schönhuber-Partei“.

Ohne in die tieferen Details der durchaus facettenreichen Geschichte dieser in den 1990er Jahren erfolgreichen Rechtspartei zu gehen, sei zur Aufhellung der relevanten Zusammenhänge nur auf einige wichtige Fakten und Parallelen zur heutigen Entwicklung der AfD hingewiesen. Denn auch wenn die damalige Situation natürlich nicht deckungsgleich zur heutigen ist, so lassen sich doch wichtige Rückschlüsse ziehen. Oder wie es so schön heißt: Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen.

Die Republikaner wurden 1983 von zwei amtierenden CSU-Bundestagsabgeordneten und weiteren „angesehenen Mitgliedern des Establishments“ gegründet. Mit dem prominenten Journalisten Franz Schönhuber (Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, Fernsehmoderator, stellvertretender Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Mitglied des Deutschen Presserates etc.) stieß ein zugkräftiges Aushängeschild dazu, das bald die Richtung vorgab. Dabei war das bürgerliche Renommee der Führungsfiguren anfangs mindestens mit dem der gediegenen Professorenriege der AfD vergleichbar. An Prominenz schlug Schönhuber einen Lucke sogar um Längen.

Ähnlich spektakulär verliefen die ersten großen Erfolge: 1989 der Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus mit 7,5 %, gefolgt vom Einzug ins Europaparlament mit 7,1 %. Der Stimmenanteil von 14,6 % in Bayern ließ schon damals alle Alarmglocken bei der CSU läuten. Es deutete sich – analog wie heute bei der AfD – eine tektonische Veränderung in der Parteienlandschaft an, die auch 1992 noch ihre Fortsetzung bei der baden-württembergischen Landtagswahl mit 10,9 % der Stimmen fand. Zwar konnten die Republikaner nicht in so kurzer Zeit so viele Parlamentseinzüge wie heute die AfD feiern (was vermutlich der Vor-Internetzeit geschuldet war), doch eine Zahl von über 20.000 Mitgliedern Anfang der 1990er Jahre (mit Schwerpunkt in Westdeutschland, da die Partei bis zur Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern gar nicht zugelassen war), versprach eine gute Ausgangsposition für die weitere Zukunft.

Die Verfassungsschutzkeule schien zu diesem Zeitpunkt ebenso weit weg wie noch vor wenigen Monaten bei der AfD. Hochrangige Kontakte zu führenden Politikern von CDU und CSU wiesen in eine ähnliche Richtung: Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner (CDU) war nicht der einzige, der mit möglichen Koalitionen mit den Republikanern öffentlich liebäugelte. Auch der Berliner CDU-Innensenator Heinrich Lummer hatte anfangs ins gleiche Horn gestoßen und Franz Schönhuber als ehemaliges Mitglied des exklusiven „Franzensclub“ (die legendäre Amigo-Runde seines Namensvetters Franz-Josef Strauß) ging auch noch als Rep-Vorsitzender bei CSU-Größen wie dem langjährigen Ministerpräsidenten Max Streibl ein und aus.

Kurz und gut: Nichts deutete zu dieser Zeit auf das spätere Schicksal der Partei hin und eine telefonische BILD-Umfrage, wonach 39 % Schönhuber als „Wunschkanzler“ angaben, beflügelte die Phantasien. Einziges Hindernis auf diesem Weg seien nur noch die radikalen Kräfte in der Partei, so die damaligen Einflüsterungen „wohlmeinender“ Unionspolitiker, Journalisten und Wissenschaftler. Diese müssten aus der Partei gedrängt oder zumindest ordentlich gestutzt werden, dann stünde der Mehrheits- und Anschlussfähigkeit nichts mehr im Wege, künftige Koalitionen mit Union und FDP inklusive!

Dies verleitete Schönhuber zu dem wohl größten politischen Fehler seines Lebens, wie er später auch selbst öffentlich einräumte. Er erlag den Schalmeienklängen und vertrieb mit dem sogenannten „Ruhstorfer Abgrenzungsbeschluss“ im Jahr 1990 die grundsätzlich gestimmten, nicht vorschnell koalitionsbereiten und häufig auch aktivsten und idealistischen Republikaner. Rund ein Drittel der Mitglieder und alle EU-Abgeordneten außer Schönhuber selbst verließen die Partei. Ein Aderlass, der schwer an der Kampagnen- und Wahlkampffähigkeit der Partei nagte.

Doch wie perfide die Altparteien schon damals agierten, zeigte sich zwei Jahre später: War die Partei durch die Ruhstorfer Beschlüsse im übertragenen Sinne schon des „Schwertarms“ beraubt – also der angriffslustigsten und widerständigsten Mitglieder – so schlug das System den Republikanern NACH diesem Kniefall auch noch gnadenlos den „Schildarm“ ab, anstatt die Republikaner in den erlauchten Kreis der „demokratischen Parteien“ aufzunehmen: Zahlreiche Beamte und sonstige in der Gesellschaft gut verankerte, auf ihr bürgerliches Renommee bedachte Mitglieder verließen die Partei, nachdem die Republikaner Ende 1992 in den Bundesverfassungsschutzbericht aufgenommen wurden. Obwohl die Parteiführung zuvor alle Vorgaben des Establishments erfüllt und die radikaleren Kräfte explizit hinaus gedrängt hatte! Das anschließende langsame Siechtum des Parteirumpfes ohne Schild- und Schwertarm (um im Bild zu bleiben) bis zur schlussendlichen Bedeutungslosigkeit ist bekannt.

Die Lehren aus der Geschichte der Republikaner für die künftige Entwicklung der AfD liegen also auf der Hand: Es gilt tatsächlich unter allen Umständen der Republikaner-Falle zu entgehen. Nur dass diese in Wahrheit anders aussieht, als von Vertretern des Petry-Flügels heute fälschlicherweise behauptet. Unter Einhaltung einiger elementarer Grenzziehungen nach ganz rechtsaußen – Gewaltbereitschaft, Nationalsozialismus, Demokratiefeindlichkeit, Ablehnung von Menschenrechten – muss alles daran gesetzt werden, ansonsten gerade auch die grundsätzlich gestimmten, widerstandswilligen und „radikalen“ Kräfte in der Partei zu halten. Radikal kommt nicht umsonst von Radix – die Wurzel. Und die Wurzel unserer heutigen Probleme – also das volksfeindliche Altparteienkartell und der herrschende linke Zeitgeist – müssen demokratisch besiegt und nicht durch vorschnelle Hilfsdienste stabilisiert werden.

Dafür bedarf es zwingend der aktivistisch und idealistisch gesinnten Patrioten in- und außerhalb der AfD. Denn dieser Paradigmenwechsel kann analog zur Herrschaftsgewinnung der linken 68er Bewegung nur im Verbund parlamentarischer Erfolge und außerparlamentarischer Bewegung im vorpolitischen und kulturellem Raum gelingen. Im Idealfall wird dieser Weg auch schon zu Anfang von zur Mitte hin anschlussfähigen „bürgerlichen“ Kreisen unterstützt, die neben fachlicher Kompetenz und wirtschaftlicher Potenz auch eine wichtige Schutzfunktion einbringen können. Aber zur Not müssen die ersten Schritte auch ohne einige Vertreter aus diesem Spektrum unternommen werden. Im Erfolgsfall stoßen sie (und viele andere) sowieso wieder dazu.

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