1914 ernährte die Land- und Forstwirtschaft immer noch über die Hälfte der Tiroler Bevölkerung, daneben gab es Handel, viel Handwerk, etwa die Schnitzer aus dem Grödnertal, aber durchaus auch Fabriken. Dazu kam eine beispiellose Entwicklung der Verkehrswege, speziell der Eisenbahn. Und in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich bereits ein nennenswerter Tourismus.
Politisch ging das Leben in Tirol ohne bedeutsame Ereignisse weiter, bis am 28. Juli 1914 Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte, was schließlich in den Ersten Weltkrieg mündete. Und wie überall mußten nun auch die wehrfähigen Tiroler als Untertanen des österreichischen Kaisers an die Front, vornehmlich in den Osten nach Serbien und Galizien. So kam es, daß im Land Tirol, als Italien ein knappes Jahr später, am 23. Mai 1915, Österreich-Ungarn den Krieg erklärte und am Isonzo den ersten Angriff startete, zunächst in vielen Orten nur ältere Männer und wenig Militär zur Verteidigung bereitstanden. Die einheimischen Kaiserjäger kämpften derweil in der Fremde.
Italien hatte trotz gegenteiliger Abmachungen im Dreibund diesen Krieg im “sacro egoismo” mit dem offensichtlich imperialistischen Ziel herbeigeführt, die Situation auszunutzen und die Grenzen nach Norden bis zum Brenner zu verschieben. Dazu muß man wissen, daß Tirol 1914 in der Donaumonarchie noch bis nach Ala in den italienischen Sprachraum hineinreichte. Man sprach von Welschtirol, während die Italiener das Gebiet bereits damals Trentino nannten. Schon im vorigen Jahrhundert hatten aber Politiker wie Giuseppe Mazzini den Alpenhauptkamm als “natürliche” Grenze Italiens im Sinn. Die Irredentisten wollten alle italienischsprachigen Gebiete „erlösen“! Nun, 1914, verlangten die Italiener vom österreichischen Kaiser als Dank für ihre Neutralität das ganze Trentino, und als der sich weigerte, bzw. zu spät nachgab, hatten die Westmächte in Geheimgesprächen in London 1915 Italien längst das ganze Gebiet vertraglich bis zum Brenner (und noch viel mehr) versprochen für den Fall des Kriegseintritts auf ihrer Seite.
Dieses hinterhältig versprochene Gebiet war aber keineswegs von „unerlösten“ Italienern besiedelt, sondern seit urdenklichen Zeiten hatte die Salurner Klause (der Durchgang rechts im Foto zwischen Bozen und Trient, wo die Felsen eng zusammenrücken) eine ganz deutliche deutsche Sprachgrenze gebildet. Nördlich davon waren die Tiroler in einer erdrückenden Mehrheit. Italien machte sich nun also völlig bewußt und ungeniert daran, fremdsprachige Gebiete zu erobern. Und die Tiroler, die vom Londoner Geheimabkommen der alliierten Westmächte bis 1917 gar nichts wußten – verraten hat es später übrigens Lenin -, verteidigten ihr Land erneut im Geist der Freiheit und in der Erinnerung an 1809! (Der nächste Teil handelt von dieser Verteidigung, dem Gebirgskrieg 1915-1917 bis zum Kriegsende 1918.)
» Kleine Geschichte Südtirols 1 – Prolog
» Kleine Geschichte Südtirols 2 – Andreas Hofer
Das ganze 20. Jahrhundert über macht mir UK übrigens keinen besonders integeren Eindruck. Ist diesem Empire eigentlich nach all den Hinterfotzigekeiten heute überhaupt über den Weg zu trauen???
#1 schmibrn (10. Nov 2013 14:20)
Nein!
In vielen Konflikten, Kriegen und Krisen im 20. und nunmehr im 21. Jahrhundert haben die Briten direkt oder indirekt ihre Griffel im Spiel.
In Köln gab es mal wieder eine „Bereicherung“ der orientalischen Art
http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/koeln/Brutaler-Ueberfall-auf-Taxifahrerin-article1191928.html
Die Briten trauern doch noch heute ihre Kolonien und Überseegebiete nach. Sie können einfach nicht den Verlust ihrer eroberten Gebiete anerkennen. Und versuchen sich irgendwie noch als Weltmacht zu etablieren die sie längst nicht mehr sind.
Nicht nur die Sprache verbindet uns!
http://rundertischdgf.wordpress.com/2013/10/28/schicksalsgemeinschaft-nicht-nur-die-sprache-verbindet/
http://de.scribd.com/doc/2436258/ES-BLIEB-KEIN-ANDERER-WEG
Da wird beschrieben, wie die Italiener mit den Tirolern verfuhren.
Ich habe Menschen aus dem BAS kennengelernt.
Mancher hat Wiederstand und Folter nicht überlebt.
Es gab den berüchtigten Senator Tolomei, der im italienischen Auftrag alle südtiroler Ortsnamen „italienisieren“ musste.(In Bozen stand lange Zeit sein Denkmal). Alle diese Namen waren reine Erfindungen; es hatte sie nie vorher gegeben. Nur ein Beispiel von vielen: Sterzing = Vipiteno. Diese italienischen Ortsnamen beeindruckten den amerikanischen Präsidenten Wilson(der keine Ahnung von Geographie hatte )dermaßen, dass er der Abtretung Südtirols an Italien zustimmte. Für ihn galt: italienische Ortsnamen, also von Italienern bewohnt. So war´s.
Es fehlt ein wesentliche Information im Artikel.
Es gab einen Sozialisten der auch Chefredakteur des sozialistiscchen Parteiorgans „Avanti“ war, namens „Benito Mussolini“. Als solcher setzte sich Benito Mussolini 1914 noch für eine „absolute Neutralität“ Italiens ein. Hier der Artikel aus dem „Avanti“ vom 18.10.1914.
Dann kaufte der britische Geheimdienst den Agitator Mussolini, http://www.theguardian.com/world/2009/oct/13/benito-mussolini-recruited-mi5-italy
http://newsv1.orf.at/091014-43647/index.html
Das Ergebnis war der Überfall Italiens auf Österreich auf Seiten der Alliierten und der Aufstieg Mussolinis und seiner Bewegung mit dem Geld der Engländer.
Damit machte also britisches Geld den Sozialisten Mussolini zum „Rechten“
Artikel vergessen: http://digilander.libero.it/fascismoinrete0/neutralitaattivaeoperante.htm
Interessant, danke Kewil 🙂
Auf dem Foto erkenne ich links vor dem bewaldeten Berg den Ort Salurn (sehr bereichert,massig Kopftücher) dann kommt die Autostrada und die Etsch und weiter nach rechts dann die Ortschaft Kurtinig.
Im Hintergrund der Hügel mit den weissen Abbrüchen ist der Fennberg der für die dort wohnenden Südtiroler die Grenze zu Italien bildet. Der Hotelier und Weinbauer „Teutsch“ hat im Speisesaal seines Hotels eine ganze Widerstandswand gestaltet und setzt damit die unbedarften deutschen Urlauber immer wieder in Erstaunen.
Die Immobilienbesitzer an der Weinstrasse bis rauf nach Kaltern weisen möglichst wenig Wohnraum aus um zu verhindern das Leute aus Salurn zuziehen können!
Wenn jemand mal in der Gegend ist unbedingt einen halt einlegen.
Der Blauburgunder, der Rote und der obligatorische Speck schmecken wunderbar in diesem Klima.
Bei unserem letztjährigen Besuch haben wir festgestellt das sehr viele Italiener zugezogen sind.
An diesen Verhältnissen wird sich nichts mehr ändern. Jeder hat es sich gerichtet.
Der Fennberg befindet sich im äußersten Süden des Unterlands in Südtirol und ist dem Mendelkamm östlich vorgelagert. Zusammen mit dem gegenüberliegenden Geier formt er die Salurner Klause genannte Verengung des Etschtals, an der neben der Südtiroler Landesgrenze auch die deutsch-italienische Sprachgrenze verläuft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fennberg
In Teil 6 oder 7 kommt bestimmt noch die Geschichte von der Vertreibung der Bergbauern und dem ersetzen durch Italiener aus der Gegend von Vicenca.Ja?
Wäre schön wenn man die plazierten Bilder vergrößern könnte.Es gibt da eine Einstellung die ich aber nicht kenne.
Vielen Dank, Kewil!
Wäre interessant demnächst eine Geschichte des Elsass, das ja ein ähnliches Schicksal hatte, zu lesen.
Danke für die se interessanten geschichtlichen Beiträge.
Hier ein beschwingter Ohrenschmaus eines
südtiroler Musiker-Trios.
#1 schmibrn
#2 Stracke
Klar erkannt.
Der kometenhafte Aufstieg Deutschlands auf der geistigen und wirtschaftlichen Seite war der englischen Dogge bereits in den 1890er Jahren ein Dorn im Auge.
Hallo #2 Stracke (10. Nov 2013 14:42)
Das ist wahr. Sogar der englische Aussenminister Straw hat das vor über 10 Jahren zugegeben:
Dass der erste Weltkrieg ein Desaster für Italien war und ganz ganz besonders für Süditalien (meine Ex-Heimat) müsste auch erwähnt werden. Fast eine Million Toten sind bis zum Kriegsende zu beklagen (die meisten aus Süditalien). Und für was? Um ein Gebiet zu „befreien“ wo noch nicht mal 100.000 Seelen gewohnt haben? P E R V E R S (!!!!!!)
Ich wünsche den Südtiroler viel Glück mit ihrem Referendum. Nach ihnen machen wir das auch, wir vom ex-Königsreich von ZweiSizilien.
Kewil, wenn du Informationsmaterial zur richtigen Geschichte von den schlimmsten Verbrechen des 19. Jahrhunderts brauchst (die Vernichtung des Königsreich von Zweisizilien), schreib mir bitte, denn das hängt auch mit der Eroberung von Südtirol zusammen.
#6 mizzi
Danke für den Link:
http://de.scribd.com/doc/2436258/ES-BLIEB-KEIN-ANDERER-WEG
Ein wirklich erschütterndes Dokument, das sich nicht nur jeder Südtirol-Urlauber mal antun sollte. Die Parallelen zur Gegenwart, wie z. B. aus Nicht-Angepassten einfach „Nazis“ gemacht werden, zeigen wie die einfachen und primitiven Mechanismen zu allen Zeiten ihre Wirkung nicht verfehlen.
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