In einer 1988 erschienen Ausgabe der anarchistischen Schrift „Befreiung der Gesellschaft vom Staat“ von Erich Mühsam findet sich ein einleitender Aufsatz von Stefan Blankertz mit dem Titel „Der Staat im grünen Kopf“. Nachfolgend eine in der neosozialistischen BRDDR und planwirtschaftlichen EUdSSR nach wie vor treffende Passage dieses Textes – von 1988 wohlgemerkt! (Erich Mühsam, Befreiung der Gesellschaft vom Staat, Karin Kramer Verlag Berlin, 1988, S XV ff.)

(Aufgestöbert von Theobald Krude)

„Selbst wenn der Staat das Gute befiehlt, beschmutzt er es, weil er befiehlt, weil jeder Befehl die Empörung der Freiheit herausfordert, weil das Gute, wenn es befohlen wird, das Übel wird.“ (Michael Bakunin)

In Crazyland fordern die Grünen Abgabebeschränkungen für Aluminium, weil weder die Verbraucher so vernünftig seien, die etwas teuren, jedoch vom „gesamtgesellschaftlichen“ Aspekt betrachtet besseren Autos ohne Aluminium zu kaufen, noch die Hersteller so einsichtig, die Aluminium-Autos vom Markt zu nehmen. Genauso fordern die Grünen in der Realität, die bisherige Bevorzugung der Straßen durch eine Umleitung der Steuermittel in eine Bevorzugung öffentlicher Massenverkehrsmittel zu verwandeln sowie Gesetze zur Beschränkung der Konsumenten und Produzenten von Autos und flankierend Erhöhung der Abgaben, etwa der Benzinsteuer. Wenn die Verschmutzung und Verstopfung der Städte ein genügend hohes Maß erreicht haben, können die Grünen für diese Forderung gar eine Mehrheit finden – denn niemand will Verschmutzung und Verstopfung, obwohl (fast) jeder durch sein privates Verhalten dazu beiträgt. Die Durchsetzung der Forderungen wäre scheinbar ein Sieg der kollektiven Rationalität über die individuelle Irrationalität. Das Kollektiv (der Staat) würde durchsetzen, was zwar jeder will, aber angeblich allein nicht zu tun schafft. Der Staat, eben noch Feind, ist zum Sachwalter des Guten avanciert. Wirklich?

Nein. Das staatliche Verhalten läutet nur eine neue Runde der Irrationalität ein. Nehmen wir an, die geforderten Maßnahmen seien ziemlich kompromisslos durchgesetzt. Das ist eine schon unwahrscheinliche Annahme. Übergehen wir darüber hinaus auch die erbitterten Kämpfe verschiedenster Gruppen darum, durch spezielle Regelungen die gestiegenen Kosten auszugleichen, wie Sonderzulagen für wenig Verdienende, Nachlass bei den Steuern für Diesel, Erhöhung der Kilometerpauschale, besondere Maßnahmen für Behinderte, Verbesserung der Absetzbarkeit der Autokosten von den Steuern, Subventionen für die Autoindustrie und so weiter. Die Grüne Administration blieb – was noch unwahrscheinlicher ist – hart und tapfer darauf verwiesen, das ausgebaute Bundesbahnnetz sei „gesamtgesellschaftlich kostengünstiger, umweltverträglicher und energiesparsamer“.

Die psychologische und nicht zu unterschätzende Folge wird Ressentiment der Bevölkerung sein. Bakunin drückt das in dem eingangs zitierten Satz aus durch die Wendung: „Jeder Befehl fordert die Empörung der Freiheit heraus“. Die Spaltung zwischen privaten Wünschen und sozialer, kollektiv wahrgenommener Vernunft würde größer. Der Staat muss darum ständig mehr die immer weiter ihrer sozialen Vernunft beraubten Bürger dirigieren. Der Mensch, der dauernd am Gehen gehindert wird, verliert mit der Zeit auch die Kraft und die Lust zur Fortbewegung. Schließlich kontrolliert der Staat alles, aber da die Bürger nichts mehr tun, bricht die Ordnung dennoch zusammen. (Nein, das Leben geht weiter, da das Volk seine eigenen, durch keinen Staat völlig zerstörbaren Strukturen hat.) Aber auch die andere Wendung in Bakunins Satz ist wahr: „Das Gute, wenn es befohlen wird, wird das Übel.“ Denn nicht nur eine psychologische Wirkung , die der Entzug von Freiheit zeitigt, ist die Folge, sondern auch eine materielle Wirkung, die das gewollte Gute in das reale Schlechte verkehrt.

Die Schwierigkeit, diese grundlegende These des Anarchismus zu belegen, nämlich, dass die beste Absicht von der Welt, verwirklicht durch den Staat, zum Verhängnis wird, liegt in der Unmöglichkeit ihrer empirischen Bewahrheitung. Empirisch gezeigt kann nur werden, dass es in der Vergangenheit so gewesen ist. Wie eine Maßnahme in der Zukunft genau wirkt, kann nicht mit Sicherheit vorhergesehen werden. Dennoch gibt es eine plausible theoretische Begründung der Wechselwirkung der einzelnen Faktoren. Die Natur „rationeller“ zu planen, als sie angeblich selbst ist, so die ökologische Erkenntnis, führt zu Katastrophen, weil die naturbeherrschenden Techniker prinzipiell nicht alle Folgen übersehen können. Das gilt, nach anarchistischer Einsicht, auch für die Gesellschaft.

Nur wenn die Beteiligten über die vollen und durch keine sozialtechnokratische Planung gefälschten Informationen verfügen, können sie rational entscheiden. Unter der Ägide der staatlichen Eingriffe erhalten die Individuen nicht die nötigen Informationen über einen Teil der gesellschaftlichen Auswirkungen ihres Tuns, während dem Staat (prinzipiell) die Informationen über individuelle Möglichkeiten, Ideen, Umstände und Wünsche fehlen. (…) Nicht eine Veränderung staatlicher Eingriffe, nicht eine Ausdehnung der zentralen Planung, sondern nur deren Verringerung kann zu einer sowohl ökologischen als auch ökonomisch vernünftigen Sozialstruktur führen.

Like
Beitrag teilen:
 

24 KOMMENTARE

  1. Wenn die Verschmutzung und Verstopfung der Städte ein genügend hohes Maß erreicht haben, können die Grünen für diese Forderung gar eine Mehrheit finden – denn niemand will Verschmutzung und Verstopfung, obwohl (fast) jeder durch sein privates Verhalten dazu beiträgt.

    Ja, besonders die „Grünen“ tragen aktiv dazu bei.

    Durch verkehrsblockierende Ampelschaltungen, Strassenrückbau, Radwegsausbau zu Lasten des Motorverkehrs, Verkehrsberuhigung und Tempolimitierung tragen die vermeintlichen Grünen entscheidend zur Verschmutzung und Verstopfung bei, um dann die „ultimative Lösung“ im Sinne ihrer Ideologie anzubieten:

    Eliminierung des motorisierten Individualverkehrs in den Städten.

    Die „Grünen“ sind Meister in der Erschaffung sich selbst erfüllender Prophezeiungen.

  2. #nicht die Mama
    Ja, besonders die “Grünen” tragen aktiv dazu bei.

    Durch verkehrsblockierende Ampelschaltungen, Strassenrückbau, Radwegsausbau zu Lasten des Motorverkehrs, Verkehrsberuhigung und Tempolimitierung tragen die vermeintlichen Grünen entscheidend zur Verschmutzung und Verstopfung bei, um dann die “ultimative Lösung” im Sinne ihrer Ideologie anzubieten:

    Eliminierung des motorisierten Individualverkehrs in den Städten.

    Die “Grünen” sind Meister in der Erschaffung sich selbst erfüllender Prophezeiungen.

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!!!

  3. Dass ich in meinen alten Tagen noch Sympathien für einen Anarchisten entwickeln würde, hätte ich noch vor einer Viertelstunde für ausgeschlossen erklärt.

  4. ## Die Schwierigkeit, diese grundlegende These des Anarchismus zu belegen, nämlich, dass die beste Absicht von der Welt, verwirklicht durch den Staat, zum Verhängnis wird, liegt in der Unmöglichkeit ihrer empirischen Bewahrheitung.##

    Stimmt, die Gegenprobe zu dem Staat wie ihn Bakunin noch kannte und ablehnte, die fehlt. Eine Gegenprobe, als Frage für die Interessierten: Wie funktioniert ein Staat ohne Staat? Denn das ist es was die Anarchisten verlangen. Dafür gibt es kein Beispiel, mit Ausnahme von revolutionären Zeiten, in denen kurzzeitig jede staatliche Ordnung außer Kraft gesetzt ist.

    Wie funktioniert ein Staat ohne Staat?, bestehend aus einem Land und seinen Bürgern. Wie funktioniert der, genauer gefragt, ohne Staatsmacht?

    Die Gegenprobe wie im Labor ist nicht durchführbar. Genauso wenig durchführbar wie eine Versuch derart: Was passiert wenn eine Großstadt wie New York für eine Woche vom Frischwasser abgeschnitten wird? Was die Soziologen gerne wissen wollen.

    Aber halt, partiell hat diese Gegenprobe, die Ausschaltung der Staatsmacht durchaus schon stattgefunden. Das Lösen aller staatlichen Fesseln in dem überaus wichtigen Bereich der Finanzen überall in der westlichen Welt, wo der Staat sich aus allem heraus gehalten hat, wo alles der Privatindustrie, den Banken, den Fonds und den Versicherungen übergeben wurde, weil die es besser können als der Staat, an Goldman – Sachs?

    Schauen wir uns dieses partielle Resultat ohne Staat doch einmal objektiv an. Island jedenfalls hat schnell wieder den Staat dort die Macht übergeben, mit Zustimmung seiner Bürger.

    Schnell hat dort, im Land der grenzenlosen Freiheit des Geldes eine enorme Konzentration stattgefunden und wird jeden Tag schlimmer. Und schnell haben die dort Agierenden uns gezeigt, zu was sie fähig sind.

    Sind die besser als der Staat, als ein Staat ohne Staat?

    h2so4

  5. MERKEL: Islam ist Teil von Deutschland. Und: Wir müssen zwischen Islam und Islamismus unterscheiden.

    Und: Die Erde ist eine Scheibe.

  6. @ Theo und Powerboy

    Zwischen den Mohammedanern kann ich unterscheiden: Diejenigen, die aktiv gläubig sind, sind diejenigen, die Mord und Totschlag gutheißen oder auch selbst betreiben. Diejenigen, die passiv gläubig sind, sind diejenigen, bei denen tendenziell der gesunde Menschenverstand überwiegt, weshalb sie nur halbherzig die koranischen Lehren befolgen, indem sie u. a. die Gewaltanweisungen links liegen lassen. Diejenigen, die nicht mehr gläubig sind, sind diejenigen, die endgültig eingesehen haben, „Allah und seinem Propheten“ die Gefolgschaft verweigern zu müssen, um ein freies Leben führen zu können. Ich wage zu bezweifeln, ob dies Angies Definition von „Differenzierung“ ist. Vielmehr gehe ich davon aus, daß sie an ihre alten FDJ-Tage gedacht hat mit viel Totalitarismus, Kollektivismus und Führerkult, denn im Islam läßt sich das so herrlich leicht wiederfinden.

  7. @ Tammy

    Besessen ist die so sicher wie das Amen in der Kirche. In der Phase vor ihrer Berühmheit tingelte die durch das New Yorker Nachtleben mit dem immer gleichen Spruch: „I gonna be a star!“ Ihr Leben hat sie dem Kommerz geopfert.

  8. Das mit dem „teuerer ohne Aluminium“ in Sachen Autos stimmt nicht so ganz. Gerade die Autos, die einen hohen Aluminiumanteil haben, sind i.d.R. teurer, was ja auch mit dem höheren Energieaufwand bei der Verarbeitung von Aluminium zusammenhängt.
    Andererseits spart Aluminium ggü. herkömmlichen Stählen Gewicht und sorgt so für einen geringeren Kraftstoffverbrauch.
    Fazit: Die Grünen in der Klemme.

  9. Es geht ja weniger darum einen anarchischen Zustand herzustellen, sondern der Artikel beschreibt doch sehr gut, welche Probleme entstehen, wenn der Staat immer mehr Macht beansprucht. Der Staat muss in seinem Einfluss begrenzt werden. Dieses ist aber in Deutschland, wie bei Bakunin unter der kommunistischen Diktatur in der UdSSR, nicht mehr möglich, da die Bürger gar nicht mehr wissen, was Freiheit bedeutet und in ihrem Innersten auch keine Freiheit mehr wollen, da sie viel zu anstrengend sein würde. Die Bürger lieben nur noch das Bequeme und der Staat soll es ihnen richten. Macht er es nicht gehen sie auf die Barrikaden. Damit hat der Staat einen weiteren Grund seine Macht zu vergrössern. Dies können wir sehr gut in Deutschland aber auch in den USA, jetzt im Wahlkampf sehen. Obama steht für den weiteren Ausbau des Staates, Romney für das Zurückdrängen des Staates. Die Gefahr besteht, dass die Bequemlichkeit der Bürger siegt.

  10. Zu all dem passt, dass Schäuble den Immobilienkauf erschweren will. Wenn dieses Schlupfloch verstopft ist sollen die Leute ihr Geld wohl in Euro-Bonds verheizen lassen! Der Gutmichel wird dazu mit hohen Zinsen gelockt werden – sein Pisa-Wissen verrät ihm hohen Gewinn!

  11. Unendliche Häusermassen, unendliche Menschen, unendliche Geschäfte und doch alles leer und null – so war Babylon und so ist das Gesicht der heutigen Großstädte. Sammelbecken der seelischen und sittlichen Verderbnis!
    Julius Langbehn, (1851 – 1907)!!!

    ———————
    Wenn ich die „Erkenntnisse“ des Herrn Buschkowsky heranziehe, im Bezug auf „seinen“ Berliner Stadtteil,so sehe ich eine Entwicklung(nicht nur dort!),welche Herr Langbehn vor über 100 Jahren treffend beschrieben und vorraus gesehen hat.

  12. Ein Gemeinwesen ohne Staatsmacht im heutigen Sinne muß nicht zwangsläufig ein rechtsfreier Raum sein. Vor etlichen Jahrhunderten haben freiheitsliebende Norweger Island besiedelt und dort ohne Staatswesen aber mit einer gemeinsamen Rechtsgrundlage friedlich zusammengelebt.

    Ein Staat ohne Staatsmacht müßte den gleichen Weg gehen: Eine gemeinsame Rechtsgrundlage für alle. So etwas würde beim Herdentier Mensch genauso funktionieren wie bei allen anderen in Herdenverbänden lebenden Tieren. Beispiel: Ein Pferd, das sich in einer Herde nicht an die Regeln hält (bspw. Fohlen werden niemals angegriffen), wird aus der Herde ausgestoßen. In freier Wildbahn wird das natürlich zu einem Todesurteil.

    In einem Staat ohne Staatsmacht gäbe es keine parasitär lebende politische Klasse, deren einziger Lebenszweck in einer maximalen Ausbeutung der Bürger besteht.

  13. Das ist meiner Ansicht nach Quatsch. Ein Gemeinwesen braucht die Möglichkeit, allgemeinverbindliche Verträge schließen zu können. Alles andere ist Anarchismus und funktioniert nicht.

    Worauf man u.a. achten sollte ist, daß der Souverän, das Volk, in dieser Angelegenheit auch handlungsfähig ist, und Verträge, welche er will, auch schließen kann, daß er nicht durch Parteien und/oder Ideologien gefesselt ist.

  14. #6 h2so4

    Selbstverständlich gab es einen Staat ohne Staat:

    Die Altgermanische Gesellschaft!
    Strenges Subsidiaritätsprinzip mit basisdemokratischen Strukturen.

    Genau deshalb konnten auch die Römer so geschlossen und effizient zurückgeschlagen werden. Alle waren dafür, weil alle gefragt wurden.

  15. @ #25 Max Besser,
    tut mir Leid das schreiben zu müssen, aber du hast das Problem nicht erfasst.

    Bakunin und andere reden von einem Staat den wir als Nationalstaat kennen. Der klar definiert wird als mit einer Staatsmacht, mit einem Land, mit einem Staatsvolk. Es geht den Anarchisten dabei um die Staatsmacht im Nationalstaat, den sie in ihrer Zeit der Monarchien, in den ihnen geläufigen Strukturen, ablehnten. Der Staat ist immer, a priori ein böser Staat? Die wenden sich nicht solchen vorstaatlichen Strukturen zu, wie lose Dorfgemeinschaften in Germanien, welches es zu der Zeit als Gebilde noch gar nicht gab, nur als eine kulturell bestimmte Menge.

    Den Nationalstaat mit einer Staatsmacht, den gibt es noch nicht allzu lange.

    h2so4

  16. #6 h2so4 (26. Sep 2012 23:07)

    Ha, ich habe auch noch eine Gegenprobe anzubieten.

    Grosse Teile Italiens funktionieren nämlich GENAU SO.

    Ich empfehle jedem mal einen Urlaub in Genua. Der Kulturschock: da macht jeder, was er will!

    Und irgendwie funktioniert es trotzdem.

    Wie das im einzelnen geht, ist mir allerdings auch noch verschlossen geblieben.

Comments are closed.