Max Frisch’s „Biedermann und die Brandstifter“ – eine Warnung vor Gleichgültigkeit gegenüber einem totalitären System – ist so aktuell wie seit seiner Uraufführung nicht mehr. Es wurde kürzlich in London mit Erfolg wieder gespielt. Viele Briten nahmen dabei den Klassiker mit neuen Augen wahr: Als Warnung vor dem fanatischen Islamismus.

Mit den Worten von Edmund Burkes: „Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.“ Wobei der im Stück dargestellte „Biedermann“ gar nicht so „gut“ ist.

Herr „Biedermann“ quartiert zwei gesuchte Brandstifter höchstpersönlich bei sich auf dem Dachboden ein, sieht sogar ihre „Basteleien“, lädt sie zum Essen bei sich unten ein, fährt das Beste auf, was er hat. Sie sagen ihm ausdrücklich, dass sie die Brandstifter sind, doch Biedermann glaubt ihnen nicht.

Die Weltwoche berichtet:

Von Anfang an ist klar, dass sie die Brandstifter sind, aber Herr Biedermann bringt es – in einer Mischung aus Höflichkeit, Trägheit und moralischer und physischer Feigheit – nicht fertig, sie vor die Tür zu setzen. Und die beiden Männer verbergen ihre Absicht nicht einmal.

Schließlich gibt Herr Biedermann den Männern auch noch die Streichhölzer, mit denen sie sein Haus anzünden. Ein Stück nicht ohne Hintergrund:

Frischs Stück ist eine Parabel über die Mechanismen, mit deren Hilfe die Nazis die Macht eroberten, erst in Deutschland, dann in ganz Europa. Kein anständiger Mensch wollte nach 1918 noch einmal Krieg; und weil es einen Wahnsinnigen wie Hitler noch nie gegeben hatte, konnten sich die europäischen Politiker einreden, dass es auch keinen geben konnte und dass Hitlers Wahnsinn, egal, was dieser Mann tat oder sagte, eher aufgesetzt als real war. Also nahm man ihn nicht ernst.

Eine Parallele zu den gegenwärtigen Ereignissen in Großbritannien:

Tatsächlich wird in England schon seit Jahren eine Appeasement-Politik gegenüber den Islamisten praktiziert, in der Hoffnung, die Fanatiker würden, indem man ihnen verständnisvoll entgegenkommt, ihren Fanatismus aufgeben und eine solche Dankbarkeit empfinden, dass sie Großbritannien von der Liste ihrer Ziele streichen.

Die Regierung sah untätig zu, als Demonstranten den Tod Salman Rushdies forderten, und viele Intellektuelle, die lautstarke Proteste gegen einen Performance-Künstler, der öffentlich auf ein Bild der Jungfrau Maria uriniert, als inakzeptable Einschränkung der Kunstfreiheit bezeichnet hätten, hielten es plötzlich für richtig, mit den muslimischen Buch- und Bilderverbrennern von Bradford zu sympathisieren.

Seit Jahren rufen Prediger in Großbritannien offen zu Hass und Gewalt auf, doch die Regierung bombardierte lieber ferne, fremde Länder, statt die Probleme im eigenen Land anzupacken – so wie Biedermann einen Angestellten fast in den Selbstmord treibt, aber nichts gegen die Brandstifter im eigenen Haus unternimmt.

Das geistliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche, der Erzbiedermann von Canterbury Dr. Rowan Williams, plädierte unlängst in einem BBC-Interview dafür, die Scharia in die britische Rechtsordnung aufzunehmen. Dieser Schritt erscheine ihm „unvermeidlich“.

Aber nicht nur in politischer Hinsicht ist Frischs Stück von erstaunlicher Aktualität. Es verrät uns etwas über unseren Alltag und die Kompromisse, die wir alle schließen und schließen müssen.

Genau das ist Biedermanns Haltung gegenüber den Brandstiftern, die sich in seinem Haus breitgemacht haben. Statt von vornherein eine unangenehme Szene zu riskieren, gibt er nach, bis es für Widerstand zu spät ist. Seine Schwäche wird ihm zum Verhängnis.

Hier liegt ein Problem: Wann weigert man sich, einem Befehl zu folgen?

Wenn wir uns wie Herr Biedermann verhalten, werden wir den Übeln in unserer Gesellschaft nicht beikommen, solange es noch möglich ist, sie zu bekämpfen. Nehmen wir uns die Moral von Frischs Stück aber allzu sehr zu Herzen, sehen wir vielleicht in jeder unangenehmen Situation den Beginn einer Biedermann-Geschichte, an deren Ende uns eine Hölle erwartet (Herr und Frau Biedermann finden sich am Ende des Stücks tatsächlich in der Hölle wieder). Kurzum, wir werden nervös und paranoid und noch dazu überheblich, weil wir unsere persönliche Wahrnehmung für die einzig richtige halten.

Dass die Islamisten brandgefährlich sind, haben sie schon daran gezeigt, dass sie sich an das Brandstifter-Rezept für Glaubhaftigkeit aus Frischs „Biedermann“ halten:

„Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die nackte und blanke Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.“

Das klappt bei uns auch.

(Spürnase: Weatherman)

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18 KOMMENTARE

  1. Das Stück in anlässlich der Machtergreifung der Kummunisten in Tschechien geschrieben worden. Es ist auch eine Warnung vor der Gefahr von aussen. Die Handlung passt nur bedingt auf die Machtergreifung der NSDAP, obwohl das Stück in der Schule als ebensolches Symbol verkauft wird.

    Biedermann scheitert vor allem, weil er weiß, dass ihm seine Umgebung einen Rausschmiss der beiden übel nehmen würde. Er weiß es, weil er es selbst einem anderen übel nehmen würde, wenn der andere es täte. Er würde sich das Maul über den anderen zerreissen, er würde ihn als Unmenschen brandmarken. Im Grunde genommen hat Biedermann Angst vor sich selbst und der Bloßstellung der eigenen Verlogenheit.

    Müßig zu erwähnen, dass ich die Biedermänner kenne – zu Hauf.

  2. Die Engländer gehen gerade vor die Hunde.
    Großbritannien ist noch viel beschissener als unser eigenes deppertes Land.
    Folgen wir ihnen?

  3. „Das Stück in anlässlich der Machtergreifung der Kummunisten in Tschechien geschrieben worden.“

    Also, Hombre, das ist völliger Blödsinn. Bitte besser informieren!

    Lies doch wenigstens den Artikel hier etwas genauer:

    „Frischs Stück ist eine Parabel über die Mechanismen, mit deren Hilfe die Nazis die Macht eroberten, erst in Deutschland, dann in ganz Europa. Kein anständiger Mensch wollte nach 1918 noch einmal Krieg; und weil es einen Wahnsinnigen wie Hitler noch nie gegeben hatte, konnten sich die europäischen Politiker einreden, dass es auch keinen geben konnte und dass Hitlers Wahnsinn, egal, was dieser Mann tat oder sagte, eher aufgesetzt als real war. Also nahm man ihn nicht ernst.“

  4. Warum kann der Gschrapp da oben auf dem Bild mit den Würschteln um den Bauch nicht einfach dort wo er ist auf den Knopf drücken ????

    Dann würde viel Leid den Unschuldigen erspart bleiben 😉

  5. #5 Erkan

    friedlich und frei von abergläubigen, schulentfernten Minderbemittelten, die denken weil sie XY Chromosome haben sind sie was besseres. Nach der Devise alle Frauen sind Huren, bis auf Mutti; aber nur meine.

    Die Menschheit entwickelt sich zurück.

  6. War vor nunmehr schon mehr als 30 Jahren in der Schule mit Frisch’s Burleske „Biedermann und die Brandstifter“ konfrontiert, damals zwangskonfrontiert.

    Hat jedoch, wie man sieht, nichts an Aktualität verloren die Parabel über das Versagen des Bürgertums, das zunächst versucht, aus der nahenden Katastrophe seinen Vorteil zu ziehen, dann aber nichts mehr damit zu tun haben will.

    @ Weatherman: Gratulation, guter Beitrag –

    “Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die nackte und blanke Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.”

  7. @weatherman #6

    Aus Wiki:

    Eine erste Fassung des Stoffes zu Biedermann und die Brandstifter findet sich in Max Frischs Tagebuch aus dem Jahr 1948. Ein Burleske betitelter erzählerischer Text enthält bereits alle wichtigen Motive des späteren Dramas, so etwa die Aufnahme eines Unbekannten aus dem Wunsch heraus, nicht wie ein Unmensch zu wirken, den später dazukommenden zweiten Gast, den Verdacht der geplanten Brandstiftung, das Ignorieren der Fässer voll Benzin auf dem Dachboden, die versuchte Verbrüderung bei einem Abendessen aus Angst vor den Brandstiftern und schließlich den tödlichen Ausgang.

    Als historischer Hintergrund für diesen Entwurf können einerseits der im Februar 1948 vollzogene Umsturz in der Tschechoslowakischen Republik, aus dem die ?SR als kommunistische Volksrepublik hervorging, andererseits die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland bis 1945 gesehen werden.

  8. Max Frisch, ein Genie und Klassiker ähnlich Goethe und Schiller, behandelt ausschließlich Themen, die über die Zeiten hinweg von Gültigkeit sind.

    Lesen Sie doch bitte mal sein Gesamtwerk, Sie werden erstaunt sein über die vielen aktuellen Bezüge und Betreffs, die implizite zu realisieren sind.

    Nicht nur für Leseratten……

  9. Sieht man sich die aktuelle Situation in GB näher an, kommt man zu dem Ergebnis, daß es sich dort nicht mehr um Zuwanderung handelt sondern um Unterwanderung. Die Politik hat sich ein Nebenvolk geschaffen. Deutschland ist auf dem besten Weg dorthin.

  10. Sehr gut. Wenn man den gesellschaftskritischen Anspruch des Stückes nicht völlig den modischen formalistischen Beliebigkeiten preisgeben will, bleibt einem in der heutigen Zeit ja praktisch schon gar nichts anderes mehr übrig, als das Stück genau so und nicht anders zu inszenieren. Ich meine, diese Deutung drängt sich angesichts der Umstände ja geradezu auf.

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