UnifilDie UNIFIL, die europäisch geführte UN-Friedenssicherungstruppe im Libanon, ist ein überdeutlicher Beweis dafür, warum Europa niemals eine globale Supermacht werden kann. Als die 13.400 Mann starke Truppe nach dem 34-tägigen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im letzten Sommer zusammengekratzt wurde, sagten die Europäer, dass ihr „Soft Power“-Ansatz zur Friedenssicherung, die USA ein oder zwei Dinge über die globale Politik lehren würde. Während die USA Kriege beginne, beendet Europa sie – behauptete man.

Von Sören Kern, The Brussels Journal, Original: Fear Factor: Lebanon and the European Way of Peacekeeping, Übersetzung: Herbert Eiteneier

Aber heute steht der Libanon kurz vor dem politischen Zusammenbruch, eine aufsässige Hisbollah hat sich bis zum Geht-nicht-mehr wieder bewaffnet und es gehen Gerüchte um, dass ein weiterer Krieg mit Israel kurz vor der Tür steht. Und während der Libanon weiter ins Chaos schlittert, ist die UNIFIL selbst zu einem Ziel der Versuchung geworden – so sehr, dass sie jetzt die meiste Zeit damit verbringt, sich selbst zu schützen.

Was genau tun die Europäer im Libanon?

Nicht viel, sagt die UNIFIL. Was UNIFIL-Sprecherin Yasmine Bouziane am 29. August sagte, dürfte die Untertreibung des Jahres sein: die UNIFIL-Mission

„hat ihre erklärten Ziele nicht erreicht, auch nicht die, die von der UNO-Resolution 1701 diktiert wurden“.

Wahrscheinlich zielte sie auf ihre europäischen politischen Herren, als sie fortfuhr:

„Zu diesem Zeitpunkt kann nicht darauf verzichtet werden an die Hauptaufgabe der UNIFIL zu erinnern, die darin besteht, die Sicherheit und Stabilität im Südlibanon wieder herzustellen.“

Das ist sie in der Tat. Aber seit der UNO-Sicherheitsrat gerade das UNIFIL-Mandat um ein weiteres Jahre verlängert hat, könnte dies ein guter Zeitpunkt sein, einen Überblick des Zustands des europäischen Spiels im Libanon zu geben.

Sucht die Hisbollah einen weiteren Kampf?

Die meisten Analysten stimmen darin überein, dass der Auftrag der UNIFIL von Anfang an gefährdet war. Obwohl die UNO-Resolution 1701, die dem Krieg im Libanon im August 2006 ein Ende setzte, unzweideutig darin war ein Waffenembargo zu fordern, wurde von der Politik absichtlich an den Einsatzvorschriften der UNIFIL herumgebastelt, um zu verhindern, dass die Truppen aktiv nach den Waffen der Hisbollah suchten. Das Fehlen einer klaren Verpflichtung die Hisbollah zu entwaffnen, ist ein Mangel, den der Iran und Syrien schnell ausnutzten. Sie haben das Arsenal der Hisbollah wieder aufgebaut, während die Europäer daneben standen und zuschauten.

Bereits im Oktober 2006 berichtete Terje Roed-Larsen, UNO-Sonderbotschafter für den Libanon:

„Es sind Waffen über die Grenze in den Libanon gekommen.“

Im April sagte Walid Jumblatt, ein hochrangiger libanesischer Politiker, gegenüber dem Fernsehsender Al-Jazira, dass libanesische Sicherheitskräfte den Hisbollah-Guerillas helfen, Waffen über die poröse Grenze mit Syrien zu schmuggeln. Im Juni warnte Roed-Larsen erneut den Sicherheitsrat vor einem „alarmierenden und zutief verstörenden Bild“ eines „beständigen Flusses an Waffen und bewaffneten Elementen über die Grenze mit Syrien“. Und im Juli berichtete die Jerusalem Post, wobei sie israelische Geheimdienstquellen zitierte, dass die Hisbollah von Syrien mehrere Hundert Mittelstrecken-Raketen erhalten hat.

Aber Waffen sind nicht das Einzige, was auf der Einkaufsliste der Hisbollah steht. Die Gruppe baut derzeit ein unabhängiges Mobilfunk-Telefonnetz im gesamten Südlibanon und Beirut auf. Kürzlich wurden unterirdische Kabel entdeckt, die neben denen des staatlichen Telefonsystems lagen – eine Entwicklung, die natürlich die Informationsbeschaffung über die Hisbollah während eines zukünftigen Krieges komplizieren würde.

Das mag erklären, warum Hassan Nasrallah, der immer wichtigtuerische Führer der Hisbollah, in letzter Zeit besonders großspurig ist. Im Juli prahlte er damit, dass die Hisbollah-Guerillas ein Raketenarsenal haben, das „jede Ecke“ des Staates Israel erreichen könne, einschließlich Tel Aviv. Und in einer Rede im August zum Jahrestag des „göttlichen Sieges“ über Israel, versprach er, der jüdische Staat würde bei einer zukünftigen Auseinandersetzung mit der Hisbollah eine „große Überraschung“ erleben.

Europäisches Appeasement?

Dabei bleiben die Europäer der Hisbollah gegenüber gleichgültig, ja sogar heuchlerisch. Einerseits hat die Hisbollah bei Mord- und Bombenanschlägen rund um die Welt reihenweise Europäer getötet. Andererseits lehnen es europäische Offizielle ab, sich den USA, Kanada und Australien anzuschließen und die Hisbollah auf ihre offizielle Liste der Terrororganisationen zu setzen – ein Zug, der der Gruppe Gelder von islamischen „Wohlfahrtsorganisationen“ in Europa entziehen würde.

Javier Solana, EU-Außenpolitik-Chef, sagte im Juni 2006, es gäbe keinen Plan die Hisbollah auf die Terrorliste zu setzen, weil die EU nicht genug Informationen habe um festzustellen, ob die Gruppe als solche bezeichnet werden sollte. Solana versucht sich zu rechtfertigen, indem er sagt, die Sache sei rechtlicher, nicht moralischer Natur. Aber im März 2005 verabschiedete das Europaparlament mit 473 zu acht Stimmen eine Resolution, die erklärte, dass es reichlich Belege gibt, dass die Hisbollah eine Terrororganisation ist, und forderte „alle nötigen Maßnahmen, um den Terroraktivitäten dieser Gruppe ein Ende zu setzen“.

Warum nur sind die Europäer so ambivalent, wenn es darum geht das Richtige zu tun? Angst, Angst und noch mal Angst, nach Angaben von Experten einer Anhörung vom 20. Juni mit dem Titel „Adding Hezbollah to the EU Terrorist List“ (Hinzufügen der Hisbollah zur EU-Terrorliste), die vom Außenpolitischen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses gesponsert wurde. Die Europäer zögern die Hisbollah das zu nennen, was sie ist, weil sie sich vor Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Interessen Zuhause und in Übersee fürchten.

Die Europäer haben Angst, dass, wenn sie gegenüber der Hisbollah eine harte Linie fahren, ihre Truppen im Libanon angegriffen werden könnten. Sie haben ebenfalls Angst, dass die Hisbollah (von der gesagt wird, dass sie ihre Leute in jedem einzelnen EU-Land hat) Schläfer-Zellen aktivieren könnte, die Anschläge in Europa ausführen. Und die Europäer haben Angst, dass die Tausende träger junger muslimischer Einwanderer in Städten in ganz Eurabien aufgehetzt werden. Die Angst vor wütenden Muslimen ist in der Tat so durchdringend, dass, in praktischen Begriffen ausgedrückt, der Islam in Sachen Gestaltung der Außenpolitik in Europa bereits ein de facto-Veto hat.

Angst beherrscht auch den europäische Friedenssicherungs-Auftrag im Libanon. In einer vorhersagbaren Wendung der Ereignisse sind die als neutrale Beobachter in den Libanon geschickten europäischen Friedenssicherer zu den wichtigsten Beschützern der Hisbollah verwandelt worden – weitgehend deshalb, weil die Hisbollah-Guerillas jetzt die wichtigsten Beschützer der europäischen Friedensschützer sind. Was sagt uns das?

Nach einem Anschlag im Juni, durch den sechs spanische Friedensschützer getötet wurden, begann Spanien mit der Hisbollah zu kooperieren, um festzustellen, wer seine Soldaten tötete. Fakt ist, dass der spanische Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero – ein postmoderner Jünger des „Kults der Einbindung“, der zufällig auch tödliche Angst vor negativer Publicity in Umfragen hat -, sich entschied, die Hisbollah und auch noch den Iran zu rekrutieren, um die spanischen Truppen zu schützen – als Weg seinen eigenen Job zu sichern.

Dann telefonierte der glücklose spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos mit dem iranischen Außenminister Manoucher Mottaki; bizarrerweise pries er Irans „konstruktive und effektive Rolle bei der Lösung regionaler Krisen“. Moratinos beschrieb seine Beziehung zur Hisbollah ebenfalls als „positiv“. Tatsächlich stimmten nach einem heimlichen Treffen mit spanischen Geheimdienstlern, die angeblich versprachen, dass spanische Truppen wegsehen würden, während die Hisbollah sich für den nächsten Krieg gegen Israel bewaffnet, die Militanten der Hisbollah zu, die UNIFIL-Patrouillen schützend zu „eskortieren“.

Postheroische Europäer

Warum also haben die Europäer überhaupt Truppen in den Libanon geschickt? Weil der Libanon Europas Supermacht-Moment sein sollte. Die Vereinigten Staaten lieferten den Europäern, weil sie sich im Libanon in die Zuschauerrolle zurückzogen, eine Gelegenheit, sich als „ehrliche Vermittler“ im Nahen Osten zu beweisen. Und tatsächlich waren die Europäer genau deshalb dagegen, eine NATO-Streitmacht in den Libanon zu schicken, weil sie sagten, diese sei zu amerikanisch.

Die heutige UNIFIL aber, wie so vieles andere Europäische, ist leere Hülle. Sie wurde von großspurigen Europäern manipuliert, die – verbittert wegen amerikanischer Macht und amerikanischen Einflusses auf der Bühne der Welt – glauben, sie könnten sich ihren Weg zur Supermacht herbeiheucheln, indem sie einen Teil davon schauspielern.

In Beschwörung der amerikanischen Erfahrung von Beirut 1983, nahmen viele Europäer tatsächlich an, dass der Libanon beweisen würde, wie viel besser die Dinge sein würden, wenn die Welt einfach nur die Europäer die Dinge regeln lassen würde. Statt dessen zeigt der Libanon der Welt, woraus das postheroische Europa wirklich gemacht ist. Denn wenn der Libanon etwas zeigt, dann, dass Angst die große Achillesferse Europas ist. In der Zwischenzeit und während die Europäer zusehen, bereitet die Hisbollah sich auf einen weiteren Krieg vor.

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14 KOMMENTARE

  1. Ich würde es „bezahlten Urlaub“ nennen…
    Eingreifen ist für die UNIFIL Truppen wohl ein Fremdwort, so sollen schon an der libanesisch-syrischen Grenze unterirdische Telefonleitungen verlegt worden sein. Dies deutet schon auf zukünftige Pläne für einen weiteren „Gegenschlag“
    Jedoch kann ich ein plumpes „Einmarschieren und Umfangreiche Gewaltakte“ für absolut Ineffizient – hat man ja auch2006 wunderbar gesehen. Die Israelische Armee hinterließ zwar verbrannte Erde, doch effektiv genützt hat es wenig und den Propagandakrieg haben sie auch verloren. Es müsste schon eine effektivere Taktikher.
    Ebenso kann man die israelischen Pläne auch nicht als ganz „kosher“ bezeichnen, so deutete vieles darauf hin aus dem Libanon einen zweiten Irak zu machen – dies ist jedoch auf ganzer linie gescheitert

    Ferner möchte ich auch daran Erinnern, dass die shiitische Hizballah bereits in europa/Deutschland angekommen ist und in Berlin ein eigenes „Büro“ betreibt.

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