Der Islam bringt mit seinem Menschen- und Staatsverständnis ein Konfliktpotenzial in westliche Gesellschaften. Das hat man jetzt auch bei der renommierten Schweizer Tageszeitung NZZ gemerkt. Deshalb schreibt Peter Ruch, reformierter Pfarrer in Schwerzenbach (ZH), auch über ein Minarettverbot sei zu diskutieren – hört, hört…
In der Schweiz leben 350 000 Muslime. Auch wenn das kein grundsätzliches Problem darstellt, ist die Einwanderung von Muslimen mit der jahrzehntelangen Einwanderung von Italienern und Spaniern nicht zu vergleichen. Der Islam bringt ein eigenes Menschenbild und Staatsverständnis mit, das ein Konfliktpotenzial enthält. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass selbst völlig säkulare Muslime angesichts von Identitätskrisen an extremen Strömungen Gefallen finden können. Solche sind teilweise im Islam selber angelegt. «Islam» heißt Unterwerfung – nicht nur unter ein religiöses Bekenntnis, sondern auch unter ein umfassendes System, das keine Gemeinschaft außer derjenigen des Islam, kein Gesetz außer Koran und Sunna anerkennt. Die radikale Einfachheit seines Bekenntnisses gibt seiner Mission eine unvergleichliche Durchschlagskraft, vor allem bei Völkern, deren Entwicklungsstand demjenigen Arabiens zur Zeit des Propheten gleicht.
Gewiss ist alle Religion in gewissem Sinne «totalitär». Doch was den Islam sowohl in seiner Gründung als auch in seiner Geschichte auszeichnet, ist die beharrliche Negation jeder Unterscheidung zwischen geistigem und weltlichem Bereich, zwischen geistlichem und weltlichem Recht. Durch die Widerstände, die sich gegen den Propheten Mohammed erhoben, erfuhr seine Lehre – in völligem Gegensatz zum Christentum – von Anfang an eine starke Politisierung, ja Militarisierung. Wenige Religionen der Welt waren in diesem Masse staatsbildend und kriegerisch. Nicht der Friedfertige, sondern der Kriegsbereite kommt ins Paradies. Das Reich des Propheten war durchaus «von dieser Welt»: Er war ein politischer Religionsstifter, Prophet, Staatschef und Eroberer in einem.
Die arabische Kolonisation war denn auch umfassend und nachhaltig wie keine vor und nach ihr. Nicht weil sie besonders grausam oder intolerant gewesen wäre, sondern durch ihre homogene Wucht. Doch was die Kraft und die Größe dieser politischen Religionsgründung (oder religiösen Reichsgründung) war, wurde auch ihre Schwäche: Die Gesellschaft und das Gesetz, das sie schuf, waren unabänderlich. Die Blüte der arabischen Kultur und Wissenschaft im Hochmittelalter in ihren Zentren Bagdad und Cordoba war gleichsam der Feuerregen, der das Einschmelzen der ältesten Kulturzentren des Mittelalters in den islamischen Block begleitete; und sie erlosch, als diese vorgefundene Substanz aufgezehrt war.
Seit dem 14. Jahrhundert hat der westliche Zweig der arabischen Zivilisation, wo sich Eroberung und arabische Kolonisation deckten, nur noch wenig künstlerische, literarische, wissenschaftliche und politische Größen hervorgebracht. Wie der Stil zur Arabeske erstarrte, so erstarrte die arabische Schriftsprache, an den Koran gebunden, zur Gelehrten- und Kirchensprache, den «arabischen» Völkern so fern wie das Latein den lateinischen.
Die Kluft zwischen den statischen religiösen Inhalten und der dynamischen Realität belastet den Islam schon seit geraumer Zeit. Das hat sich seit einigen Jahrzehnten angesichts der Globalisierung und des allgemein raschen Wandels zugespitzt. Viele Muslime sind irritiert und einige deshalb anfällig auf eine schwarz-weiße Weltsicht mit eindeutigen Feindbildern. Faschistische Bewegungen machen sich dies zunutze und benützen den Islam als Vehikel.
Keineswegs ist der Islam per se faschistisch. Doch seine hermeneutischen Defizite machen ihn anfällig für entsprechende Missbräuche – ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg die durchaus legitimen Heimatbedürfnisse viele Europäer anfällig machten für faschistische Instrumentalisierung. Dabei können Moscheen als Schauplätze des ideologischen Seilziehens eine wichtige Rolle spielen.
Moscheen sind auch nach muslimischem Verständnis keine Sakralbauten wie Kirchen oder Synagogen, sondern Multifunktions-Häuser. So wie eben der Islam nicht nur eine Religion ist, sondern Politik und Glauben zu einer untrennbaren Einheit verbindet. Deshalb ist die Frage eines Moscheebaus nicht allein am Kriterium Glaubensfreiheit zu messen. Es muss sichergestellt sein, dass dort die Gesetze eingehalten und Frauen nicht diskriminiert werden. Laut Necla Kelek, einer deutschen Sozialwissenschafterin türkischer Herkunft, entwickeln sich grössere Moscheen leicht zu «Medinas», wo nicht nur das Seelenheil gepflegt, sondern auch politische Zurüstung betrieben wird. Kuppeln und vor allem Minarette können dabei als erfolgreiche Schritte Richtung Hegemonie missdeutet werden. Der Islam befindet sich ja nach eigenem Selbstverständnis auf dem Weg, die Religionen zu vollenden und die Weltherrschaft anzutreten.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist eine Debatte über das Verbot von Minaretten und damit über das Selbstverständnis der Muslime in der Schweiz wünschenswert. Bürgerliche Freiheit ist ein rares Gut und muss ständig verteidigt beziehungsweise errungen werden. Der Jesuitenorden war in mehreren Ländern verboten, als er den religiösen Frieden gefährdete. Das Verbot wurde, hierzulande reichlich spät, aufgehoben, als die Gefahr überwunden war. Ein Minarettverbot, das weniger einschneidend wäre, wäre ein klares Zeichen gegen ein freiheitsfeindliches Konfliktpotenzial, nicht zuletzt im Interesse der Muslime. Die Religionsfreiheit wird davon nicht berührt. Es gibt weltweit viele Moscheen ohne Minarett.
Ohne Zweifel gibt es Argumente gegen die Initiative. Dies müssen diskutiert und die Kenntnisse über eine Religion, deren Anteil rasch von 0 auf 5 Prozent der Bevölkerung gestiegen ist, erweitert werden. Doch wer die Debatte im Keim ersticken will, diskreditiert die Demokratie.
(Spürnase: Urs Schmidlin)
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@33Martin aus Zürich
Du hast recht, es war die „NZZ am Sonntag“, hatte ich nicht gesehen, da die Quelle hier als NZZ angegeben war, die ich nicht zur Hand hatte; jetzt stimmt es wieder etwas mehr. In der NZZ wäre auch der Artikel von Peter Ruch schon recht auffällig bemerkenswert gewesen, trotz der obligaten Zugeständnisse an die PC- Leitlinie der NZZ, dass der Islam nicht das Problem sei. Aber von Gutmenschen in der Redaktion beider kann gleichwohl keine Rede sein, wenn auch die Mitarbeiter der ersteren sich an der längeren Leine bewegten dürgen.
Für die NZZ am Sonntag, deren Redaktion nicht mit der der NZZ identisch ist, stellt der Artikel auchschon einen gewisser Fortschritt dar, insofern die Minarett-Initiative dort nicht mehr als völlig abwegig hingestellt wird wie noch letztes Jahr. Siehe:
Minarett und Muezzins
http://www.oyla2.de/cgi-bin/designs/vac/index.cgi?page=text&id=661477351157671320&userid=38183974
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