Ihr Ziel war die eigene und die Befreiung ihrer Schüler vom Spießbürgertum. Die 68er-Lehrer und die von ihnen geprägte nachfolgende Generation standen in Opposition zu so ziemlich allem, was diese Gesellschaft prägte. Sie redetem von „kritischem Denken und Hinterfragen“ und vor allem von der Freiheit des Geistes, mit dem sie die verkrusteten Strukturen aufbrechen wollten.
Wieviel sie selbst davon denen zugestehen, die ihrem eigenen Scheuklappendenken zuwiderhandeln, davon handelt der folgende Beitrag.
In einigen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern ist es für Studenten heute noch ratsam, mit besonderer Vorsicht Themen und Aussagerichtung ihrer Hausarbeit zu wählen, um nicht durch schlechte Noten von ihren Dozenten abgestraft zu werden. (…) Ein Schüler einer Gesamtschule im Berliner Südwesten befasste sich in seiner Facharbeit, die als besondere Lernleistung in die Abiturnote eingeht, am Beispiel des Karikaturenstreits mit dem Konflikt zwischen Christen und Moslems. Er legte eine schlüssig aufgebaute dreißigseitige Arbeit vor, in der er nachvollziehbar und plausibel argumentiert. Abgesehen von einigen sprachlichen Holprigkeiten handelte es sich um eine gute bis sehr gute Arbeit. Der Schüler erhielt dennoch von seinen Gutachtern nur eine Vier, im Gegensatz zu vielen seiner Mitschüler, die zumeist Einsen und Zweien für Themen bekamen, die den Lehrern ob ihrer als fortschrittlich geltenden Argumentation mehr am Herzen lagen.
Der Schüler hatte es gewagt, nicht nur die Reaktionen von Islamisten und Teilen der muslimischen Welt auf die Karikaturen zu beschreiben, sondern auch noch auf die subalterne Rolle der Frau, die Rechtfertigung von Mordanschlägen und den Jubel nach dem Mord an dem islamkritischen Filmemacher van Gogh hinzuweisen. Mit drastischen Worten kritisiert er den Ehrbegriff vieler Muslime, der zur Rechtfertigung krimineller Taten, aber auch der Gewalt im familiären Bereich dient. Er bemängelt die fehlende Trennung zwischen Politik und Religion in islamischen Ländern. Verständnislos äußert er sich darüber, dass im Iran und anderen Ländern bereits jede Kritik an den führenden Imamen und Ayatollahs mit dem Verdacht auf Gotteslästerung belegt wird.
Darüber hinaus fragt er sich, warum immer nur von verletzten Gefühlen von Muslimen öffentlich die Rede ist und nicht auch davon, dass manche ihrer Verhaltensweisen die Gefühle vieler Westeuropäer verletzen, sei es durch ihr diskriminierendes Verhalten gegenüber Frauen oder durch ihre schnell in Gewalttätigkeit umschlagende Erregbarkeit.
Der Schüler verurteilte nicht alle Muslime, differenzierte sorgfältig und polemisierte nicht. Er stellte eine schlüssige These auf, begründete sie ordentlich und verteidigte die Werte unserer freiheitlichen Gesellschaft. Er zeigte genau den kritischen Geist, der in den Schulen angeblich gelehrt wird. Er wendete diesen allerdings „falsch“ an. Denn Kritik ist nur am bürgerlich-demokratischen System selbst erlaubt.
(Spürnase: Joachim T.)
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