Das InvestmentDer „Blick in die Hölle“ wartet gleich neben dem „Stock-Picking mit Nebenwerten“. Zumindest wenn man der Finanzzeitschrift Das Investment glaubt. Jede Ausgabe der monatlich erscheinenden Zeitschrift rezensiert vier Bücher, von denen eines nichts mit Börse, Boom und Blasen zu tun hat. Diesen Monat, auf Seite 112, wird uns Murat Kurnaz’ Reisebericht der etwas anderen Art präsentiert.

Denn wie alle Welt inzwischen weiß, wollte Murat Kurnaz, als er Wochen nach den Anschlägen des 11. September in den Mittleren Osten reiste, lediglich eine Abenteuerreise und Trekkingtour unternehmen, wie man sie in jeder TUI-Filiale angeboten bekommt. Pech nur, dass ausgerechnet zu dieser Zeit die imperialistischen Truppen des Buschkriegers ein Land bombardierten, „dessen Namen sie nicht aussprechen konnten“, wie uns Michael Moore anschaulich in einem Kalauer erklärte. In einem dieser Länder trat dann Kurnaz einem Green Beret aus Versehen aufs Erdnussbutterbrot. Und der nahm ihn dafür hops.

Laut Rezension handelt es sich bei dem Berufs-Guantanamo-Insider um einen „deutschstämmigen Türken“, was einen zum Nachdenken veranlassen sollte: Denn während es sich beispielsweise bei Viva-Moderatorin Gülcan Karahanci eindeutig um eine türkischstämmige Deutsche handelt, stellte man sich bislang unter einem deutschstämmigen Türken Herrn Waldemar Meier vor, der in Antalya ein Restaurant betreibt und aus Freude über sein Glück die türkische Staatsbürgerschaft angenommen hat. Was ist bei Murat Kurnaz geschehen? Haben dessen Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, die ihr Sohn jedoch ablehnte, um in der Türkei bessere Arbeitschancen zu haben? Haben CIA, FBI, Mossad oder der AStA der Uni Freiburg ihre Hände im Spiel? Oder hat der Dax gerade einen Sprung von Null komma nix Prozent gemacht, auf dass die Konzentration für eine Nanosekunde ausgeschaltet war?

Das Buch zeige, „welche Methoden die USA im ‚Krieg gegen den Terror‘ zulassen“. Für die Buchbesprechungs-Redaktion von „Das Investment“ offensichtlich die falschen. Dialog und ein gemeinsamer Plausch in der Sushi-Lounge über unterbewertete Papiere in Kairo und Dubai sind natürlich eher im Sinn von Börsianern. Ob aber die Attentäter von New York, Bagdad, Istanbul oder London überhaupt den Unterschied zwischen „bullish“ und „bearish“ kannten, ist mehr als fraglich. Ein Grund mehr für „Das Investment“, auch ein Buch mit dem Untertitel „Strategien für langfristigen Erfolg in den Golfstaaten“ zu besprechen. Hier erfährt der Leser, wie man halalen Sushi mit Menschen einnimmt, die beim Anblick von Frauenhaaren Muffensausen bekommen wie unsereiner bei behaarten Spinnenbeinen.

Im Golf liegen die Petro-Dollars auf der Straße. Nicht unbedingt für die Arbeiter aus Bangladesch oder den Philippinen, für Architekten und Business-Partner aus Europa jedoch allemal. Wer sich berufen fühlt, Prinzen aus Dubai mit dem Einrichten von Hotelzimmern zu beraten, für den ist es sicherlich interessant, sich mit den Gepflogenheiten der stolzen, „traditionsbewussten“ Scheichs vertraut zu machen. Gerade Europäer dürften sich glücklich schätzen, nach dem Zweiten Weltkrieg endlich mal wieder die Cowboys aus Übersee auszustechen. Seitenhiebe auf die Politik des Weißen Hauses mit einbegriffen.

Den Hype, den Murat Kurnaz’ „Fünf Jahre meines Lebens“ verursachte, wünschen sich Flüchtlinge aus Darfur, liberale Journalisten aus der arabischen Welt und Importbräute aus Berlin-Kreuzberg ebenfalls. Für Ayaan Hirsi Ali oder Necla Kelek zumindest war bisher kein Platz in den Buchbesprechungen von „Das Investment“. Vielleicht, wenn der Dax die 10.000-Punkte-Marke knackt.

» Email: info@dasinvestment.com

(Gastbeitrag von Martin Rudiger)

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