„Islam heisst Frieden“ und „die Globalisierung ist Schuld an der wachsenden Ungerechtigkeit in der Welt“. Erstaunlich oft sind es die gleichen Personen, die als Teil einer nickenden Masse verbreiteten Glaubenssätzen zustimmen und mit dem Anspruch moralischer Höherwertigkeit ihrer Vorurteile die Kenntnisnahme widersprechender Fakten durch Niederbrüllen vermeiden. Was die ungeprüft in den gesellschaftlichen Konsens übernommene Globalisierungskritik anbelangt, stellt Professor Henning Klodt vom Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel fünf globale Irrtümer richtig.
Vom dummen August bis zum NRW Ministerpräsidenten der CDU, vom SED-Funktionär bis zur evangelischen Kirchentagspräsidentin reicht die Einheitsfront derer, die in der Globalisierung die Wurzel allen Übels der unverstandenen modernen Welt sehen. Eigentlich erstaunlich, denn bevor das Unbehagen an der Fortentwicklung der Welt unter dem Kampfbegriff der Globalisierung eine neue Heimat fand, war gerade der angebliche Ausschluss der dritten Welt vom globalen Wirtschaftsleben ein Hauptkritikpunkt von antiimperialistischen Weltverbesserern.
Das irrationale Wüten gegen eine globale Arbeitsteilung und die Umkehr der Fakten in der Diskussion lässt vermuten, dass es gerade die Erfolge der neuem Wirtschaftsformen in der Bekämpfung der Armut sind, die den Zorn der Unbelehrbaren hervorrufen. Für Altlinke wäre es die reinste Demütigung zugeben zu müssen, dass ausgerechnet der verhasste Kapitalismus dem gescheiterten Sozialismus auf dessen ureigensten Gebiet, der Schaffung einer gerechten Welt, überlegen ist.
Dass es so ist, belegt Professor Klodt auf dem Blog „Wirtschaftliche Freiheit“ an fünf überzeugenden Beispielen von verbreiteten Kernirrtümern der Globalisierungskritiker:
Irrtum 1: Die Globalisierung ist von politischen Kräften ausgelöst worden und kann deshalb auch politisch wieder zurückgedrängt werden. Tatsächlich stellt nicht die Politik, sondern die Verbreitung moderner Informationstechnologien die zentrale Triebkraft der Globalisierung dar. Es wäre illusorisch, das Rad der technologischen Entwicklung zurückdrehen zu wollen. Zwar haben daneben auch politische Entwicklungen die Globalisierung getrieben, allen voran der Fall des Eisernen Vorhangs und die daraus resultierende Integration ehemals kommunistischer Länder in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung. Doch auch diese Entwicklung ist mit politischen Kräften nicht umzukehren – zum Glück.
Irrtum 2: Die Globalisierung macht die Reichen reicher und die Armen ärmer. Tatsächlich haben sich Ungleichheit und Armut in der Welt in den vergangenen Jahrzehnten nicht vergrößert, sondern verringert. Allein schon die Aufholprozesse in China und Indien, wo zwei Fünftel der Weltbevölkerung leben, haben zu einer kräftigen Konvergenz zwischen Arm und Reich in der Weltwirtschaft geführt. Die Erfolgsgeschichte dieser beiden Länder ist eine Erfolgsgeschichte der Globalisierung. Auch die absolute Armut in der Welt geht deutlich zurück. Während 1970 noch 40 % der Weltbevölkerung mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 2 US-Dollar pro Tag (zu Preisen von 1985) auskommen mussten, sind es heute nur noch 20 %. Dies sind sicherlich immer noch viel zu viele, aber ohne die Globalisierung hätte sich die weltweite Armutsrate kaum so stark verringern lassen.
Irrtum 3: Ländern, die sich gegenüber der Globalisierung öffnen, geht es wirtschaftlich schlechter als Ländern, die sich auf die interne Wirtschaftsentwicklung konzentrieren. Tatsächlich ist, wie eine Studie der Weltbank zeigt, das Gegenteil richtig. In dieser Studie werden die Entwicklungsländer unterteilt in Globalisierer und Nicht-Globalisierer. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre stieg das Pro-Kopf-Einkommen der Globalisierer um jährlich 5 %, das der Nicht-Globalisierer um weniger als 2 %. Bei der Entwicklung der Einkommensunterschiede innerhalb der Länder konnte die Studie dagegen keine Unterschiede zwischen den beiden Ländergruppen feststellen.
Irrtum 4: Die Globalisierung ist die Ursache der hohen Arbeitslosigkeit in Industrieländern. Diese These mag insbesondere in Deutschland mit seiner ausgeprägten strukturellen Arbeitslosigkeit einleuchtend erscheinen, gleichwohl ist sie falsch. Seit vielen Jahren wird in der Wirtschaftswissenschaft intensiv darüber geforscht, ob Billigimporte aus Niedriglohnländern und kosteninduzierte Direktinvestitionen die hohe Arbeitslosigkeit und die niedrigen Löhne unter Geringqualifizierten erklären können, doch die Antwort lautet eindeutig nein. Überdies fällt es schwer, mit dieser These die Arbeitsmarkterfolge der USA, Großbritanniens, Irlands, der Niederlande, der Schweiz oder Dänemarks zu begründen, denn diese Länder konnten ihre Arbeitslosigkeit spürbar verringern, ohne sich gegen die Globalisierung abzuschotten. Wer die heimische Beschäftigungsmisere wirksam bekämpfen will, sollte auf die Flexibilität der Arbeitsmärkte, die Anreizstrukturen der sozialen Sicherungssysteme und andere Rahmenbedingungen schauen und nicht der Globalisierung die Schuld in die Schuhe schieben.
Irrtum 5: Die Welthandelsorganisation (WTO) ist eine Veranstaltung der reichen Länder und fügt den armen Ländern nur Schaden zu. Tatsächlich haben die Handelsliberalisierungen im Rahmen des GATT und der WTO vielen ärmeren Ländern überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet, der Armut zu entkommen. Besondere Nutznießer waren die fernöstlichen Länder, die teilweise aus bitterster Armut kamen und heute auf bestem Wege sind, manche alten Industrieländer zu überflügeln. Auch der Eindruck, die WTO diene vorrangig der Öffnung der Märkte in der Dritten Welt für den Export aus Industrieländern, ist falsch. Den stärksten Abbau von Handelsschranken gab es in den vergangenen Jahrzehnten in Industrieländern und nicht in Entwicklungsländern. Heute liegen die Zollschranken der Industrieländer bei 3 %, die der Entwicklungsländer dagegen bei 15 %. Sicherlich ist noch viel zu tun, denn insbesondere der Agrarprotektionismus behindert die Dritte Welt in ihrer Entwicklung. Fortschritte sind aber nur mit der WTO und nicht gegen sie zu erzielen.
(Spürnase: bibo)
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