Im eigentlich linken Guardian fanden wir einen lesenswerten Kommentar von Nick Cohen. Unser Leser Daniel O. hat ihn für PI übersetzt – vielen, vielen Dank Daniel.
Die unheilige Allianz, die Rushdie verdammt
Die Erteilung der Ritterwürde an den Erzähler entlarvt wieder einmal die latente Bigotterie in diesem Land (Hinweis vom Übersetzer: gemeint ist Großbritannien)
Nick Cohen, Sonntag, den 24 Juni 2007 The Observer
Am 23 Juni 2005 schrieb Sir Derek Plumbly, der britische Botschafter in Ägypten, an John Sawers, den politischen Direktor des Foreign Office (britisches Aussenministerium) über die Entschiedenheit seines Kollegen, sich mit den radikalen Islamisten der Moslembruderschaft einzulassen.
Deren Motto ist: „Allah ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Dschihad ist unser Weg. Auf dem Weg Allahs zu sterben ist unsere größte Hoffnung“. Hassan al-Banna, ihr Gründer, war ein Bewunderer des europäischen Faschismus, und ihr schrecklichster Ideologe, Syed Qutb, inspirierte die Welle sunnitischen Terrors, die durch die Welt fegt.
In Anbetracht dessen, daß die Führer der Moslembruderschaft von der extremen Rechten kamen und ein ausdrücklich rechtsextremes Programm aufrechterhielten, wunderte sich Sir Derek, ob dies die richtigen Leute seien, mit denen das Foreign Office umgehen sollte. In einem Brief, der an den „New Statesman“ durchsickerte, sagte er, daß er eine Tendenz entdeckt habe, „daß wir in ein Engagement um seiner selbst willen hineingezogen würden, ’sich mit der islamischen Welt einzulassen‘ zu verwechseln mit ’sich mit der Islamismus einzulassen‘ und die ganz realen Nachteile für uns herunterzuspielen im Blick auf die wahrscheinliche Aussen- und Sozialpolitik der Islamisten, sollten sie tatsächlich in Ländern wie Ägypten an die Macht kommen.“
Was hoffte Britannien zu erreichen? Wie erwartete ein Land unter einer Regierung links von der Mitte religiöse Rechte zu beinflussen? Hoffte es, daß ein Gespräch mit Ministern des Foreign Office sie überzeugen würde, Buße zu tun und zum edlen Anliegen der Emanzipation der Frauen bekehrt zu werden? Würde eine Einladung zum Tee mit einem Hochkommissar genügen, um ihren Haß gegen Homosexuelle, Juden, Freidenker, Liberale und Säkularisten aus ihnen herauszuschütteln?
“Werdet realistisch” sagte Sir Derek: „Ich vermute, daß es verhältnismäßig wenig Zusammenhänge geben wird, in denen wir maßgeblich fähig sind, die Agenda der Islamisten zu beeinflussen.“
Leider verlor den Machtkampf gegen die Pro-Bruderschafts-Fraktion im Foreign Office, aber die Fragen, die er stellte, bleiben jetzt bedeutsam, wie die unerhörte Reaktion auf Salman Rushdies Ritterschaft zeigt. Quer durch das politische Spektrum argumentieren die Ignoranten und Erschrockenen, daß, wenn Britannien nicht die Eiferer in Pakistan und Iran – und, in der Tat, in Sparkbrook und Tower Hamlets – durch das Verteidigen liberaler Werte und durch das Ehren eines großen Schriftstellers provozieren würde, ihr Zorn verginge und wir sicher wären.
In der Theorie haben sie vielleicht ein Argument. Wir alle betreiben im täglichen Leben Appeasement und machen Zugeständnisse um im Gegenzug Zugeständnisse zu erhalten. In der Praxis hat Labor ein Appeasement zur Zerstörung getestet und ist dankbarerweise zu einer Politik mit Grundsätzen zurückgekehrt.
Wenn Sie nicht „The Islamist“ gelesen haben, Ed Husains Biographie seines Lebens in der religiösen Rechten, lohnt es sich, dies zu tun, weil er sein internes Wissen benutzt, um zu beschreiben, wie Labour Reaktionäre beschwichtigte, die alle progressiven Prinzipien, die Mitte-Links hat, verachten. Um eines von vielen Beispielen zu nehmen:
Husain erzählt uns, daß seine Reise in die Wildnis anfing, als er sich einer Moschee in Ost-London anschloß, die von der Jamat-e-Islami, der Schwesterorganisation der Moslembruderschaft in Südasien, kontrolliert wurde. Nach seiner Desillusionierung durch die rechtsextreme Politik kehrte er zum Buchladen der Moschee zurück und fand Qutbs Werk zu kaufen „… mit Kapitelüberschriften wie ‚Die Tugend des Tötens eines Ungläubigen‘ und Ideen wie ‚die Ungläubigen in ihren Gebieten anzugreifen ist ein kollektive und individuelle Pflicht‘.
So wie ich es als 16-jähriger gemacht hatte, kaufen hunderte junger Moslems diese Bücher von islamistischen Moscheen und nehmen die Idee auf, daß Ungläubige zu töten nicht nur akzeptabel, sondern die Pflicht eines guten Moslems ist.“
Für all dies erhielt die Moschee öffentliche Subventionen und eine ersichtliche Bestätigung durch Prinz Charles. Labour-Minister hatten Jamat- und Moslembruderschaft-Sympathisanten des „Muslim Council of Britain“ (MCB) geschmeichelt, nach Downing Street eingeladen und sie in Politik-Kommissionen gesetzt, obwohl in Bangladesh Schläger der Jamat linke Bengalis terrorisieren, die jedes Recht haben, die Unterstützung ihrer europäischen Kameraden zu erwarten.
Labors Nachgeben gegenüber Jamat und der Moslembruderschaft ist vorbei. Sich einzusetzen um des sich einsetzens willens hat nirgendwohin geführt und die Minister haben nichts dafür bekommen, daß sie mit den Islamisten mitgegangen sind.
Das MCB war allzu schnell bereit, dem Irak (Anmerkung des Übersetzers: gemeint ist wohl der britische Einsatz im Irak) die Schuld für die Angriffe des 7. Juli zu geben, während seine Weigerung, am Holocaust-Gedenktag teilzunehmen, zeigte, daß es sich weder für Multikulturalismus noch für Antifaschismus engagiert. Am Ende zuckten Tony Blair, Ruth Kelly und Tony McNulty vom Home Office mit den Schultern und gingen weg.
Die Politik der Regierung ist es nun, britische Moslems zu unterstützen, die liberale Werte hochhalten, und jenen entgegenzutreten, die es nicht tun. Rushdies Ritterschaft war ein Zeichen der wechselnden Stimmung. Labour-Politiker hätten ein paar Jahre zuvor möglicherweise versucht, ein Veto dagegen einzulegen; stattdessen sagten sie: „Sollen wir zulassen, daß britische Politik von diktatorischen Frömmlern entschieden wird, die religiöse Leidenschaft entflammen, um die Aufmerksamkeit von ihrer eigenen Verderbtheit abzulenken?“
Auf diese Frage gibt es nur eine mögliche Antwort und es bleibt erstaunlich, wieviele Leute, die liberale Sympathien vorgeben, sich weigern, sie zu ergreifen. Betrachten Sie die Diskussion über Rushdie in der „Question Time“ von letzter Woche auf der Website der BBC. Sie werden sehen, wie Shirley Williams, die Vertreterin der Liberal-Demokraten und Mitglied des großen und guten, es versäumte, ein Wort des Protestes gegen die Männer, die Autoren ermorden würden, anzubieten.
Alles was sie tut, ist die Regierung für das Ehren eines Erzählers zu verdammen, bis Peter Hitchens, ein Kolumnist der „Mail on Sunday“, der normalerweise als ein speichel-befleckter Lümmel weggeschickt wird, sie daran erinnert, daß sie sich mit ein paar Worten der Kritik für seine (Anmerkung des Übersetzers : gemeint ist wohl Rushdie) potentiellen Mörder räuspern solle, und wenn auch nur um der Form willen.
Labour sollte aufhören, sich wegen der Baronin und Leuten ihrer Art zu beunruhigen, und sich entspannen. Wenn eine liberale Intelligenzia, die weder liberal noch bemerkenswert intelligent ist, und eine liberaldemokratische Partei, die nicht für Liberalität und Demokratie aufstehen kann, die Regierung angreifen wollen, dann laßt sie. Sie werden eines Tages den Preis für ihre moralische Feigheit bezahlen.
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