Im Spiegel erscheint heute ein sehr lesenswerter Artikel des somalischen Journalisten und Bloggers Bashir Goth (Foto) zur Vertreibung der Islamisten aus Mogadischu. "Welch ein Segen, wir sind sie los! Der Albtraum ist vorüber." Zur Erinnerung: EU und UN – aber auch der Spiegel selbst – hatten noch vor einigen Tagen die Unterstützung der somalischen Übergangsregierung durch die USA und Äthiopien im Kampf gegen das Scharia-Regime scharf kritisiert.
Hier die Spiegel-Übersetzung des Textes von Bashir Goth (in Auszügen):
Die Herrschaft der Islamisten in Somalia ist vorüber. Über das Ende des Scharia-Regimes freut sich der somalische Schriftsteller Bashir Goth: Es sei Zeit, die Kopftücher wegzuwerfen, sie hätten nie nach Somalia gepasst.
Welch ein Segen, wir sind sie los! Der Albtraum ist vorüber. Ich meine die Mitglieder des "Rats der Islamistischen Gerichte". Sie hatten ihre Sonnentage – und sie haben sie vertan. Sich der Unterstützung aller somalischen Bürger gewiss, stürmten sie voran, um Somalia unter ihre Knute zu bringen. Sie bedienten sich berüchtigter Warlords, um in Mogadischu wieder Frieden herzustellen. Sie eröffneten Flugplätze und Häfen und beschenkten die Bevölkerung mit geraubten Habgütern. Sie vermittelten den Eindruck einer klugen Autorität.
Menschen jubeln nach der Vertreibung der Islamisten aus Mogadischu: "Es ist an der Zeit, auf Hochzeiten zu tanzen und Musik zu hören".
Aber anstatt in die aufrichtige Unterstützung der Menschen zu investieren, zeigten sie sich machtbesessen, kriegsdurstig und Fatwa-verrückt. Sie versäumten es, Brücken zur Bevölkerung zu schlagen: Dienstleistungen blieben aus, Krankenhäuser wurden nie gebaut. Das Vertrauen internationaler Organisationen und NGOs bedeutete ihnen nichts. Sie kappten alle Verbindungen. Die Jugend zog sich zurück – das Verbot aller Unterhaltungsmedien wirkte verschreckend. Frauen wurden isoliert. Durch das Verbot des Anbaus von Kath brachte der Rat tausende Familien um ihre einzige Ernährungsgrundlage – eine alternative Einkommensquelle wurde nicht geschaffen. Mit seinem Hang zur Selbstgerechtigkeit und der herablassenden Haltung zum gemäßigten Islam verbitterte er sogar traditionelle islamische Gelehrte.
Sie wurden nicht nur schlimmere Warlords, als die, die sie besiegten. Nein, ihre Kriegssüchtigkeit schmückten sie auch noch mit dem Islam und schwangen das Schwert des Dschihad. Sie kauten die alte Rhetorik Al-Quaidas immer und immer wieder. Ebenso wie sie eine fremde Schule des Islam nach Somalia brachten, nutzten sie das beängstigende Phänomen der Selbstmordattentate, um die führenden Köpfe der somalischen Übergangsregierung in Baidoa zu vernichten. Sie schickten ihre todesmutigen Männer – und brachten Chaos.
Die Islamisten schätzen ihre militärischen Stärke falsch ein. Die weltpolitische Lage verkannten sie enorm. Sie bedienten sich einer feindlichen Sprache gegenüber ihren Nachbarländern, den Vereinten Nationen und der jüdisch-christlichen Welt. Indem sie alte Pläne eines Groß-Somalia am Horn von Afrika wiederbelebten, riefen sie für Äthiopien und Kenia die Ära der Kriege und der Instabilität in Erinnerung, die diese mit den unzähligen aufeinander folgenden somalischen Regierungen verbinden.
Letztlich begingen sie ihren größten Fehler, indem sie Äthiopien vor das Ultimatum stellten, ihre Kontingente innerhalb von sieben Tagen aus Somalia abzuziehen. Der Sicherheitschef der Islamisten, Yusuf Indha Adde, hat sich zudem den faux pas des Jahrhunderts geleistet, als er zugab, einer der Männer gewesen zu sein, die die Körper der toten amerikanischen Soldaten 1993 durch die Straßen von Mogadischu trugen.
Aber wie es so oft der Fall ist mit solchen sich selbst stilisierenden Größenwahnsinnigen: die Luft wurde auch für die Islamisten immer dünner. Dann kam die Stunde der Wahrheit. Ihre gewaltige Selbstverliebtheit endete in der Erbärmlichkeit einer geradezu lächerlichen Auflösung. Während sie Kinder im Namen des Dschihad an die Front schickten, flog die islamistische Führerschaft wie verschreckte Hühner davon.
Niemand von ihnen verlor sein Leben heldenhaft im Krieg. Niemand von ihnen starb als Märtyrer. Das Ende ihrer Glanzzeit kam schnell, ohne Kampf, fast unbemerkt. Sogar ihre durchaus produktive Website qaadisiya.com verschwand still und heimlich. Wenngleich ihre Erfinder den Hass auf den Westen täglich neu zu schüren suchten und Loblieder auf die Attentäter des 11. September und alle Märtyrer des Dschihad sangen, so war es ihnen nicht mehr gegönnt, das letzte Kapitel ihres herbeifantasierten, mittelalterlichen Kalifats abzuschließen.
Für die Bürger von Mogadischu ist nun an der Zeit, für Freiheit und die wahre Religion einzutreten. Es ist an der Zeit, den Koran als gläubiger Mensch zu lesen, nicht als politischer. Es ist an der Zeit, auf Hochzeiten zu tanzen und die Musik unserer letzten großen Dame der Musik, Magool, zu hören. Die Islamisten wollten ihre CDs verbrennen. Es ist an der Zeit, die arabischen Kopftücher fortzuwerfen. Und es ist an der Zeit, auf unsere Namen stolz zu sein. Reinigen wir unsere Ohren von diesen fremd klingenden, arabischen Namen, die sich die Islamisten im Krieg gaben. Es ist an der Zeit, unsere Frauen in die Freiheit zu entlassen. Sie sollen mit ihren Kindern im Meer schwimmen. Zeit, Bärte zu rasieren, Kinofilme anzuschauen. Zeit, unsere Jugendlichen feiern zu sehen. Sie sollen singen, tanzen. Und für 2007 Mohammed Suleimans Verse sprechen: "…kii noo hagaagee, noqo loo hanweynyahay" – Sei ein Jahr voller Glück und guter Aussichten."
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